Das Universum unter unseren Füßen – Was sich tief im Boden unserer Region verbirgt
Es ist brütend heiß an diesem Tag. Glühende, flüssige Lava ergießt sich über die Hänge des riesigen, zwei Kilometer hohen Schildvulkans – einen von fünf Vulkanen, die die tropische Landschaft im nördlichen Teil des Riesenkontinents beherrschen. Im Dickicht des nahegelegenen Urwalds suchen amphibische Vierfüßler nach Schutz, aufgeschreckt durch ein starkes Erdbeben. Sie haben keine Ahnung, wo sich die Szene abspielt? Der zwei Kilometer breite Vulkankrater befindet sich dort, wo heute der Berliner Bezirk Pankow liegt, und unsere Region wäre an der Flanke des Vulkankegels zu finden – 290 Millionen Jahre vor unserer Zeit.
Dass der Vulkan unter Berlin wieder ausbrechen könnte, müssen wir jedoch nicht befürchten. Er wurde unter vier Kilometern Sand und Gestein vergraben, nachdem sich die Kontinente voneinander getrennt hatten, Norddeutschland sich dabei absenkte und mehrere Eiszeiten Material aus dem Norden darauf ablagerten. Wenn wir jedoch – wie es DDR-Forscher in den 70er Jahren taten – tief genug bohren würden, käme magmatisches Gestein zutage. Aber der Boden unter unseren Füßen birgt noch weitere Geheimnisse: Auch die weiter oben liegenden Schichten zeugen von der bewegten Geschichte unserer Region. Nach der Periode eines heißen, tropischen Klimas wandert unser Kontinent weiter nach Norden. Der Vulkanismus versiegt, aber seine Abgase haben die Atmosphäre so verschmutzt, dass nun weniger Sonnenlicht auf die Erde trifft. Dazu kommen noch weitere periodisch veränderliche Faktoren, die im Laufe der nächsten Jahrmillionen immer wieder zu Kälteeinbrüchen oder Warmphasen führen werden. Die Erde ist ein Kreisel, der langsam schlingert, seine Bahn um die Sonne ist nicht immer gleich exzentrisch, die Neigung der Erdachse ändert sich, und die Stärke der Sonnenstrahlung ist ebenfalls variabel. Das führt zu zyklisch auftretenden Warm- und Kaltzeiten mit unterschiedlichen Vereisungsgraden: Mal sind die Pole vereist, manchmal erstrecken sich die Eispanzer bis weit auf andere Kontinente, mal sind die Pole sogar völlig eisfrei – aber das Problem ist, dass die Veränderungen bei Erde und Sonne (Milankovi - Zyklen) die klimatischen Veränderungen nicht vollständig erklären, genau wie noch zu erforschen wäre, wie natürliche Schwankungen des CO2 - und Methangehalts in der Atmosphäre, die das Klima zusätzlich beeinflussen, zustandekommen. Die Auswirkungen zeigen sich aber klar und deutlich, wenn man genauer untersucht, was unter uns liegt: Boden- und Fossilienproben, Eiskernbohrungen aus Gletschern oder auch fossile Baumringe geben den Forschern Auskunft über die Vergangenheit – und von Jahr zu Jahr öffnet sich das Buch der Erdgeschichte ein Kapitel weiter.

Wenn wir unter unseren Füßen tief genug bohren würden, träfen wir auf eine Schicht, die aus der Perm-Epoche stammt – einer Kaltzeit, in deren Verlauf ein großes Massensterben auftrat. Ein solches fand noch einmal vor 65 Millionen Jahren statt, als ein Asteroid die Erde traf und das Ende der Dinosaurier besiegelte. 30 bis 40 Millionen und nochmals zwischen 20 und 5 Millionen Jahre später wurde nahezu ganz Brandenburg vom Meer überflutet. Der ehemalige Meeresboden, in dem sich viele Fossilien finden, tritt in Rüdersdorf als Kalkstein an die Oberfläche und bewirkt in größeren Tiefen, dass sich Grundwasser staut und nicht durch tiefliegende Salzvorkommen kontaminiert wird. In den Küstenmooren bildete sich Braunkohle, die in unserer Region allerdings unter dicken Lagen anderer Sedimente verborgen liegt. Diese Schichten bestehen aus Material, das während der folgenden Eiszeiten von den Gletschern aus Gegenden fern im Norden in unsere Region verfrachtet wurde. Da die verschiedenen Eiszeiten jedoch einen Untergrund hinterlassen hatten, der nicht nur ungleichmäßig geformt war, sondern auch noch eine unterschiedliche Zusammensetzung aufwies, ist die Bodenbeschaffenheit hier nicht sehr homogen. Bemerkenswert ist jedoch, dass die letzte Eiszeit vor rund 20.000 Jahren im Süden Berlins eine Hochfläche hinterließ, den „Teltow“, während quer durch Berlin ein riesiges Urstromtal verlief, in dem Schmelzwasser abfloss. Auch der Teltow ist von einem Schmelzwasserabfluss (glaziale Rinne) durchzogen, dem Bäketal, in dem später der Teltowkanal gebaut wurde. Im Teltow finden sich dünnere Schichten von Geschiebemergel (grobkörnig zermahlene Steine und Feldsteine, aus denen man später Kirchen baute) und dickere Schichten von glazialen Sanden, also feingemahlenen Gesteinen. Die Sandschichten sind in Stahnsdorf mächtiger als in Teltow, was bei Ausschachtungen deutlich hervortritt.

Große Eisbrocken, die nach dem Rückzug des Gletschers länger liegenblieben, bildeten die Seen und Pfuhle unserer Region, die uns noch heute Zeugnis von der letzten Eiszeit geben. Doch wer denkt schon beim Anblick des verlandenden Röthepfuhls an seinen Ursprung? Was wir jedoch in unserer Gegend vergeblich suchen würden, wären eiszeitliche Spuren von Neandertalern oder des Homo sapiens: Es war einfach zu kalt für menschliche Besiedlung, und Erstere kamen nie bis nach Norddeutschland. Die Eismassen reichten schließlich über das Teltow hinaus Richtung Süden bis hinter Luckenwalde und bis zur nördlichen Seite des Baruther Urstromtals. Was man jedoch im Geschiebemergel finden könnte, wären Fossilien von Wollnashorn und Mammut, wie sie beim Bau des Teltowkanals zutage gefördert wurden. Auf dem Teltow hätten wir nach dem Ende der Eiszeit eine feuchte Tundra mit Sanddünen vorgefunden, die später von dichten Mischwäldern bewachsen war, die erst durch menschliche Eingriffe verschwanden. Ungefähr ab 8.000 v. Chr. finden sich in unserer Region kleine Ansiedlungen von zunächst germanischen, später auch slawischen Stämmen, die als Jäger und Sammler durch die Wälder zogen, 3.000 Jahre später die ersten Waldgebiete rodeten und mit dem Ackerbau begannen. Auch lange nach der Eiszeit traten große – teils durch Vulkanausbrüche bedingte – Temperaturschwankungen auf, die zusammen mit Seuchen (meist Zoonosen aus der Tierhaltung) Einfluss auf die Bevölkerungszahl nahmen. Erst als man gelernt hatte, Häuser zu bauen, konnte man sich und das Vieh besser vor Klimaschwankungen schützen. Archäologische Funde aus dieser Gegend belegen ab der Bronzezeit nicht nur die Anwesenheit von Siedlungen, sondern auch regen Handel mit anderen Ländern, wobei eine wichtige Handelsroute mitten durch das heutige Kleinmachnow führte – der einzige Weg durch das unwegsame und sumpfige Bäketal (auch Berlin war sumpfig, „berl“ kommt vom slawischen Wort für „sumpfig“). In Teltow fand man gar eine römische Münze.

Was wir auch finden könnten, wären Siedlungsreste aus dem Mittelalter, als erste Ortsgründungen erfolgten, die bereits urkundlich nachweisbar sind. So wurde beispielsweise Stahnsdorf im Jahre 1264 gegründet, es bestand damals aus einer deutschen und einer slawisch-sorbischen Siedlung (am Dorfplatz bzw. am heutigen Südwestkirchhof gelegen). Bedingt durch eine warme Klimaepoche begann damals der Weinanbau in Kleinmachnow, und zwar auf dem noch heute als „Weinberg“ bekannten Hügel. Wein war beim Adel beliebt, denn sauberes Wasser gab es selten. Bald darauf, während der folgenden Kaltperiode (erste Phase der „Kleinen Eiszeit“), als die Sonneneinstrahlung nachließ, wurde der Wein jedoch so sauer, dass man den Weinanbau schließlich ganz aufgab – ja, der Wein wurde unbezahlbar, weil die Trauben im Dauerregen verfaulten und nicht mehr reif wurden. Hunger, Kriege, Pest und politische Unruhen kennzeichneten diese Epoche. Danach gab es eine Warmphase, bis im 17. Jahrhundert die Sonnenaktivität wiederum nachließ (sog. „Maunder-Minimum“) und sogar der Bodensee zufror. Darauf folgte dann wieder eine Phase, wo Weinbau möglich war, bis die Temperaturen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach mehreren starken Vulkanausbrüchen wiederum weltweit fielen (z. B. 1816: „das Jahr ohne Sommer“). Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts drangen in den Alpen dreimal die Gletscher vor und zerstörten Gehöfte und Dörfer. Das Gletscherwachstum während der Kleinen Eiszeit war das stärkste seit der langandauernden Vereisung der letzten Eiszeit. Bei uns konnte der Wein nur noch zur Essigherstellung verwendet werden – ja, man drohte Kindern sogar, entweder in die Schule zu gehen oder sauren Wein trinken zu müssen. Das war das endgültige Aus für den Kleinmachnower Weinanbau. Heutzutage könnte man jedoch angesichts des durch menschlichen Einfluss beschleunigten Klimawandels (der vielleicht sogar die nächste Eiszeit verhindern könnte) durchaus über eine Wiederbelebung nachdenken.

Einerseits hat das Zusammenspiel von tektonischen, astronomischen, ozeanischen und klimatischen Prozessen unsere Region stark geprägt, andererseits hat der Mensch das Gebiet mittlerweile – besonders im Zuge der im 19. Jahrhundert begonnenen und vor der Wende ohne Rücksicht auf die Umwelt betriebenen Industrialisierung – so stark geprägt, dass man geografische und geologische Besonderheiten oft kaum noch erkennt oder bemerkt. Grund genug, einmal innezuhalten und sich bewusst zu machen, welches faszinierende Universum eigentlich unter unseren Füßen schlummert.
