„Unser Landkreis kann stolzund selbstbewusst sein!“ – Dr. Christoph Löwer im Interview
Dr. Christoph Löwer ist seit dem 01. September 2023 Beigeordneter des Landkreises Potsdam-Mittelmark. Er wurde einstimmig vom Kreistag gewählt. Als Beigeordneter ist Dr. Löwer für einen vielfältigen Geschäftsbereich der Kreisverwaltung verantwortlich. Dazu gehören das Dezernat Wirtschaft, Landwirtschaft, Gesundheit und Veterinärwesen, das Dezernat Bauen, Umwelt und Kataster und das Dezernat Soziales, Arbeit und Migration. Wir trafen ihn zum Interview.
Teltower Stadtblatt Verlag: Welche Stärken und Schwächen hat die Region?
Dr. Christoph Löwer: Die größte Stärke des Landkreises sind die Menschen, die hier leben, arbeiten, das Zusammenleben gestalten und damit unseren Landkreis als lebenswerten Ort prägen. Dazu gehören ganz unterschiedliche Aufgaben, von den Kindergärtnerinnen, den Ärzten, den Unternehmern, den Angestellten im sozialen Bereich und vieles mehr, das unsere Gesellschaft funktionieren lässt. Ganz wichtig ist der sehr hohe Anteil an ehrenamtlich Tätigen, in Kirchen, Vereinen – vom Sport über Kultur, Naturschutz. Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger engagieren sich kommunalpolitisch mit großem Engagement, um unser Zusammenleben demokratisch zu gestalten. Ein besonderes Bindeglied in unserer Gesellschaft sind die Freiwilligen Feuerwehren. Die hohe Verantwortung, der enorme Einsatz für unsere Sicherheit rund um die Uhr kann gar nicht hoch genug wertgeschätzt werden. Vieles nehmen wir als selbstverständlich hin, das ist es aber nicht. Das alles macht eine funktionierende Gemeinschaft aus.
Neben den Menschen ist für uns die strategisch günstige Lage nahe der Bundes- und Landeshauptstadt ein wesentlicher Vorteil, den wir zukünftig noch stärker nutzen wollen: Mit der A2 und der A9 haben wir zwei sehr bedeutende Entwicklungsachsen und zudem eine hervorragende Bahninfrastruktur, sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr.
Wir können Unternehmen an diesen Verkehrsachsen den Wachstumsraum bieten, den sie in den Großstädten nicht finden – und das bei guter Infrastruktur, schneller Erreichbarkeit und gut ausgebildeten Menschen. Das hat großes Potenzial für nachhaltiges Wirtschaftswachstum im Landkreis.
Eine zunehmende Herausforderung ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, und das im gesamten Kreisgebiet, nicht nur im „Speckgürtel“ von Berlin und Potsdam. Aus Sicht der Unternehmen ist dies ein Problem bei der Standortentscheidung. Das Thema steigender Mieten hat ein „Spiegel“-Artikel vom 05. August treffend beschrieben, in dem unsere Region besonders von steilen Anstiegen bei Wohnungsmieten betroffen ist.
Demografisch gesehen brauchen wir den Zuzug jüngerer Menschen, und dafür sind nicht nur attraktive Arbeitsplätze, sondern auch geeigneter Wohnraum nötig. Es gibt aber auch etliche positive Beispiele im Wohnungsbau, so entsteht eines der größten Neubaugebiete Ostdeutschlands derzeit in Beelitz-Heilstätten.
Der Landkreis Potsdam-Mittelmark gehört mit 2.692 km² zu den flächenmäßig größten Landkreisen in Deutschland. Hat der Landkreis eine einheitliche Strategie, um Investitionen in der Region zu fördern?
Wir haben dafür mehrere Hebel auf verschiedenen Ebenen. Beispielsweise gibt es ein neues Gesetz zum Umgang mit dem Bauen in Landschaftsschutzgebieten. Das heißt nicht, dass der Landschaftsschutz vernachlässigt wird, vielmehr können wir punktuell eine Entwicklung ermöglichen, die die Belange der Natur und der Menschen ausgewogen berücksichtigt.
Die Grenzziehung der Landschaftsschutzgebiete war teils ungenau und stammt aus den 90er Jahren. Mit der Neuregelung können wir Investitionen vor allem im landwirtschaftlichen Bereich ermöglichen und damit die Ziele des Landschaftsschutzes beschränken. Es hat sich hier gezeigt, dass mit vernünftigen und praxisorientierten Lösungen nachhaltiges Wachstum möglich ist.

Ein weiterer Hebel ist die aktive Wirtschaftsförderung. Wir bieten von der Gründungsberatung bis zur Unterstützung beim Fachkräftemangel zahlreiche Formate im Bereich Berufsorientierung und Standortsuche an. Im SEE:LAB in Teltow stellen wir Start-ups aus dem Bereich Materialforschung und Bioökonomie Labor- und Büroflächen zur Verfügung, in enger Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Zentrum Hereon. Mit unserer Netzwerkarbeit können wir Unternehmen also bei verschiedensten Fragestellungen Hilfe anbieten.
Insgesamt ist die Region Potsdam-Mittelmark schon jetzt ein dynamischer Standort für die Gesundheitswirtschaft, die eine Konzentration exzellenter Forschungseinrichtungen, hervorragender Ausbildungsmöglichkeiten und international erfolgreiche und dynamische Unternehmen vereint. Gleiches gilt unter anderem für die Branchen Bioökonomie sowie die IT- und Halbleiterindustrie.
Zahlreiche Unternehmen beklagen dennoch, dass Verwaltungs- und Genehmigungsprozesse oftmals zu lange andauern. Was soll sich da ändern?
Auf komplizierte Genehmigungsprozesse und bürokratische Hürden haben wir als Kreisverwaltung zumeist nur begrenzten Einfluss – denn der Kreis ist nicht Gesetzgeber. Es gibt aber grundsätzlich immer die Möglichkeit, dienstleistungsorientierter zu handeln und frühzeitig zu beraten. Dies gelingt beispielsweise mit der Entwicklung von Leitfäden und durch Schulungsangebote. Zudem führen wir schrittweise digitalisierte Prozesse ein, die die Antragssteller entlasten und Abläufe effizienter gestalten.
Wir werden auch in diesem Jahr noch sogenannte Verwaltungslotsen einführen, die Unternehmen in allen ihren Anliegen unterstützen, zum Beispiel bei der Integration ausländischer Arbeitnehmer oder auch bei Bauvorhaben. Dafür wird es einen zentralen Ansprechpartner aus der Wirtschaftsförderung geben, der in die entsprechenden Stellen vermittelt.
Nachdem Mobile.de, Kleinanzeigen und PayPal den Europarc in Kleinmachnow verlassen haben, sollte sich die Region umorientieren?
Der Weggang von Unternehmen ist prinzipiell immer schmerzlich, zuallererst für die betroffene Gemeinde Kleinmachnow. Wir unterstützen sowohl die Gemeinde als auch die Betreiber des Gewerbegebietes, schnell zu guten Lösungen zu kommen und neue Unternehmen dort anzusiedeln.
Unternehmen klagen über die komplizierten oder nicht vorhandenen Anbindungen der Standorte an den ÖPNV. Nun soll auch noch das RegioBus-
Angebot in der Region „ausgedünnt” werden.
Zuerst möchte ich feststellen, dass der Landkreis Potsdam-Mittelmark über eines der besten Nahverkehrsnetze im Land Brandenburg verfügt und keinen Vergleich scheuen muss. Aber auch wir stehen vor den finanziellen Herausforderungen der öffentlichen Hand und müssen auf Effizienz achten. Wir haben sehr sorgfältig die Fahrgastzahlen analysiert und reduzieren Taktungen nur dort, wo Busse teils leer fahren.
Aber wir bleiben dennoch als Landkreis im Öffentlichen Nahverkehr landesweit an der Spitze.
Was ist Ihr Fazit nach zwei Jahren im Amt als Beigeordneter?
Ich sehe nach zwei Jahren eine große Dynamik in der Verwaltung und die echte Bereitschaft, sich den ändernden Rahmenbedingungen zu stellen. Dazu gehört auch die effiziente und vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Verwaltungsleitung mit Landrat Marko Köhler und dem Ersten Beigeordneten Dr. Steven Koch.
Mit dem Organisationsentwicklungs- und Neubauprojekt – Stichwort Beelitz-Heilstätten – wird die Kreisverwaltung ganz sicher neuen Schub erfahren: eine umfassende Modernisierung der Kreisverwaltung in verschiedensten Bereichen mit der Digitalisierung der Verwaltungsarbeit, Effizienzsteigerungen durch moderne Arbeitswelten, Nutzung modernster Technologien für einen kundenfreundlichen Bürgerservice. Ziel ist es, die Innovations- und Wirtschaftskraft der Region durch eine moderne Kreisverwaltung zu unterstützen und eine bürgernahe Dienstleistung zu bieten.
Wir danken Ihnen für das Gespräch!
Das Interview führte Elisabeth Kaufmann
Foto: Annette Koroll
