„Wir wollen Vertrauen zurück gewinnen“ – Dietmar Woidke im Interview zur Zukunft in Brandenburg
Aus, Basta. Die Kreisgebietsreform fällt aus, hat Ministerpräsident Woidke am vergangenen Mittwoch verkündet. Die politische Landschaft in Brandenburg ist so gespalten wie lange nicht. Dietmar Woidke hat sich von seinem Herzensprojekt auf Wunsch der Wählerschaft und wegen massiver Widerstände trennen müssen. Wie geht es nun weiter im Land Brandenburg?
Herr Woidke, wo sehen Sie den größten Investitionsbedarf für das Land Brandenburg?
Seit Jahren befindet sich Brandenburg im Aufschwung, und den wollen wir sichern. Der größte Investitionsbedarf besteht eindeutig bei Verkehr und in der sozialen Infrastruktur. Entsprechend zukunftsorientiert ist der Nachtragshaushalt 2018 gestaltet, den die Landesregierung zur Jahreswende auf den Weg bringen wird.
Laut CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben wurden Investition in Straße, Schiene und Breitband bereits von seiner Fraktion vorgeschlagen, jedoch ohne Erfolge auf Durchführung. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Ich empfehle einen Blick in die Halbzeitbilanz der Landesregierung vom März diesen Jahres. Eine bessere Mobilität im Flächenland, die Qualitätsverbesserung der Kindertagesbetreuung, mehr Lehrkräfte oder der Breitband-Ausbau haben in Brandenburg seit Jahren Priorität. Die Landeszuschüsse steigen hier seit Jahren. Wir schaffen so die Voraussetzungen für ein Jahrzehnt der Investitionen.
Welche Erfolge hat Rot-Rot vorzuweisen und wie werden diese kommuniziert?
Brandenburg ist in vielen Bereichen das erfolgreichste Flächenland in Ost-Deutschland, was uns kaum jemand zugetraut hätte. Wir haben heute eine bessere Kitaversorgung als vor zwei Jahren und viel mehr Lehrer an den Schulen. Ab Herbst 2018 steigen wir in die Kita-Beitragsfreiheit ein, das wird viele Familien entlasten. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit in der Geschichte des Landes und die höchste Steuerdeckungsquote in Ost-Deutschland. Und die Wirtschaft brummt.
Welche Projekte könnten noch verbessert werden?
Wir brauchen noch mehr Erzieherinnen und Erzieher in unseren Kitas. Wir müssen in Landesstraßen investieren und den öffentlichen Nahverkehr – speziell auch im Berliner Umland – ausbauen und die Digitalisierung vorantreiben. Beim Breitbandausbau sind wir in Ost-Deutschland schon führend. Aber das reicht noch nicht. Dafür werden in den nächsten drei Jahren etwa 450 Millionen Euro allein an Steuergeldern investiert. Ganz wichtig auch: Die Unternehmen suchen händeringend Fachkräfte. Hier sind vor allem Wirtschaft und Kammern gefordert.
Am 01. November kam die Absage an die Reform für viele überraschend. Weshalb wurde der Kurs geändert?
Ich hatte eine schwierige Entscheidung zu treffen, die schwerste in meinem politischen Leben. Die Widerstände gegen die Reform waren zu groß, als dass sie zum Erfolg hätte werden können. Außerdem hat die Diskussion das Land gespalten. Am Ende habe ich aus Verantwortung für das Land entschieden und das ist auf sehr große Zustimmung gestoßen.
Also war aller Einsatz für die Katz?
Nein, keineswegs. Durch die Reformdiskussion kam sehr viel in Bewegung und es wird jetzt von allen Seiten bestätigt, dass es Reformbedarf gibt. Jetzt geht es darum, mit den Kreisen und Städten wieder ins gute und vertrauensvolle Gespräch zu kommen. Sie haben gesagt, dass sie vieles ohne Reform besser machen können. Ich nehme sie beim Wort. Entscheidend ist, was am Ende herauskommt. Es soll das Beste für Brandenburg sein.
Haben wir denn heute eine andere Lage? Vor ein paar Jahren haben fast alle eine grundlegende Reform gefordert.
Wir haben heute eine andere finanzielle Situation als noch vor fünf oder sechs Jahren. Der finanzielle Druck ist nicht mehr da, außer in den kreisfreien Städten Frankfurt, Cottbus und Brandenburg an der Havel. Aber die Hauptfrage ist eine andere: Wenn der Eindruck entsteht, der Staat ziehe sich zurück, weil er effizienter werden soll, dann nährt das die Unsicherheit. Die ist angesichts der nationalen und internationalen Unwägbarkeiten aber ohnehin schon da.
Welche Lehre ziehen Sie aus dem historisch schlechten Abschneiden der SPD bei der Bundestagswahl für Ihre Politik in Brandenburg?
Auf Bundesebene müssen wir das Bundestagsergebnis noch gründlich auswerten. Das betrifft alle demokratischen Parteien. Die CDU hat in Brandenburg acht Prozentpunkte verloren – deutlich mehr als die SPD. Die Bundestagswahl hat nichts mit einer Landtagswahl zu tun. Wir hatten eine ähnlich schwierige Situation nach der Bundestagswahl 2013, haben ein Jahr später aber im Land deutlich gewonnen. Und die jüngsten Umfragen zeigen, dass wir trotz Verlusten stärkste Partei bleiben. Wir wollen Vertrauen zurück gewinnen – und zwar durch harte Arbeit und indem wir Probleme lösen.
Befürchten Sie auch auf der Landesebene einen Rechtsruck?
Nein. Es wird stets vergessen, dass weit über 80 Prozent keine rechte Protestpartei gewählt haben. Aber die Ursachen für die Nein-Sagerei und den blinden Protest müssen wir sehr ernsthaft diskutieren. Dafür tragen auch wir Verantwortung.
Was geben Sie den Brandenburgern noch mit auf den Weg?
Dass sie in einem wunderbaren und vielfältigem Land leben, auf das wir alle stolz sein können und das sollten wir auch selbstbewusst zeigen. Der Erfolg des Landes ist vor allem den Brandenburgerinnen und Brandenburgern zu verdanken, die in ihrer alten Heimat viel Neues aufgebaut haben. Sie sind bodenständig und gleichzeitig offen für Neues. Aber ebenso gehören viele dazu, die – und das gilt gerade für Orte wie Teltow im „Umland“ – zu uns gekommen sind. Sie haben mit Ideenreichtum, Mut und Freude zum Gedeihen ihrer neuen Heimat beigetragen. Mag dieses Zusammentreffen unterschiedlicher Lebenswelten anfangs nicht immer einfach gewesen sein – entstanden ist etwas Gemeinsames, das dem Land überaus gut tut. Dieser Gemeinsinn und Zusammenhalt liegen mir am Herzen.
Text: TSB/Foto: Uwe Klössing – Hoffotografen, Staatskanzlei des Landes Brandenburg via Wikimedia Commons