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„Wir müssen jetzt viel improvisieren“

Seit Dezember 2021 hat Berlin Steglitz-Zehlendorf mit Maren Schellenberg eine bündnisgrüne Bezirksbürgermeisterin. Zuvor war der Bezirk fest in CDU-Hand. Noch neu im Amt, muss sich die Politikerin mit der Ukraine-Krise auseinandersetzen: Der Krieg stellt den Bezirk vor zusätzliche Herausforderungen.

Im September 2021 sorgte die Wahl zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) für eine kleine Sensation im Berliner Südwesten: Erstmals seit 50 Jahren stellte die CDU nicht mehr die Bezirksbürgermeisterin bzw. den Bezirksbürgermeister. Seit 1971 übte dieses Amt sowohl in Steglitz als auch in Zehlendorf ein Mitglied der Union aus; dies änderte sich auch nicht mit der Zusammenlegung beider Bezirke Anfang 2001 im Zuge der im Vorjahr beschlossenen Bezirksgebietsreform. Der Berliner Südwesten bestimmte zwanzig weitere Jahre ein CDU-Bürgermeister bzw. -Bürgermeisterin die Geschicke zwischen Wannsee und Lichterfelde.

Auf die Wahl im vergangenen Herbst folgte nun ein Umbruch: Nach dem Vorbild der Bundespolitik schlossen sich in Steglitz-Zehlendorf Grüne, SPD und FDP zusammen und bildeten hier eine „Zählgemeinschaft“, die der bisherigen ­Grünen-Bezirksstadträtin ins Amt verhalf. Zu diesem Zeitpunkt war Schellenberg mit der Bezirkspolitik bestens vertraut. Ab 2006 gestaltete sie die Politik vor Ort als Bezirksverordnete für Bündnis 90 / Die Grünen mit, und zehn Jahre später trat sie ihr Amt als Bezirksstadträtin für die Abteilung Immobilien, Umwelt und Tiefbau an. Zuvor war die 1962 in Stuttgart geborene Politikerin als Rechtsreferentin und Leiterin der Abteilung Weiterbildung bei der Ärztekammer Berlin tätig – eine Arbeit, die sie 1990 aufnahm, ehe sie ab 1997 als selbstständige Rechtsanwältin arbeitete und dann den Sprung in die Politik wagte.

Mit ihrem Amtsantritt als Bezirksbürgermeisterin folgte der nächste Schritt. „Zu Beginn dachte ich: Jetzt tun wir viel für den Klimaschutz, und wir bringen die Modernisierung der Verwaltung voran“, blickt Schellenberg zurück auf ihre ersten Wochen im Rathaus. Die Corona-Pandemie habe den Modernisierungsdruck in Sachen Digitalisierung erhöht; diesen Schwung wollte die neue Bezirksbürgermeisterin in ihr Mandat mitnehmen. Doch plötzlich gab es ganz andere Prioritäten.

Ein anderer Beginn als geplant

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar veränderte alles. Die Weltpolitik wirbelt wie ganz Berlin nun auch Steglitz-Zehlendorf durcheinander. „Allein an einem Wochenende kommen derzeit etwa 13.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Berlin an. Wir müssen nun unglaublich viel improvisieren“. blickt die Bezirksbürgermeisterin auf die kommenden Tage und Wochen. Aufnahmestrukturen müssen erst noch geschaffen werden, Kinder und Jugendliche brauchen Schul- und Betreuungsangebote. „Wir sind insgesamt besser aufgestellt als während der Flüchtlingskrise von 2015“, bilanziert Schellenberg einerseits erleichtert, doch: „Auf uns warten eine Menge Aufgaben, um diese Krise bewältigen zu können, von der wir noch gar nicht wissen, wie sie ausgeht.“

Ausgerechnet das bei Redaktionsschuss dieser Ausgabe (21. März) weiter hart umkämpfte Charkiv in der Ostukraine ist eine Partnerstadt des Bezirks. „Wir arbeiten eng mit Charkiv zusammen, es gibt enge persönliche Beziehungen. Umso erschütterter sind wir von den Kämpfen um unsere Partnerstadt.“ Glücklicherweise sei es anfangs noch gelungen, einen Lkw mit Hilfsgütern bis nach Charkiv zu schicken, doch die nächsten Wochen seien ungewiss. „Was uns aber sehr große Hoffnung macht, das ist die grenzenlose Hilfsbereitschaft hier im Bezirk und darüber hinaus.“

Der Blick nach nebenan

Derzeit lasse der Krieg in der Ukraine und die Versorgung der Geflüchteten wenig Spielraum für andere Ziele, doch: „Wir wollen die Zusammenarbeit mit unseren direkten Nachbarn in Brandenburg verstärken und ausbauen.“ Schon der Blick auf die Karte zeige deutlich: Die Nachbarn seien nicht nur in den anderen Bezirken, sondern auch in Brandenburg, und hier sei eine gute Zusammenarbeit besonders wichtig. „Besonders beim Verkehr besteht Nachholbedarf, zum Beispiel von Alt Schönow in Richtung ­Teltow“, unterstreicht die Bürgermeisterin. Derzeit zwängt sich der Verkehr auf jeweils einer Spur bis zur Knesebeckbrücke über den Teltowkanal, Radfahrer balancieren auf schmalen Gehwegen an Autos und Fußgängern vorbei. Allerdings: „Der Verkehr ist Angelegenheit des Senats.“ Dennoch wolle sie sich mit Nachdruck für eine Verbesserung der jetzigen Verkehrssituation einsetzen.

Hier fügt sich eine Vision der neuen Bezirksbürgermeisterin ein: „Ich will bald über eine Fußgänger- und Fahrradbrücke über den Teltowkanal nach Teltow gelangen können.“ Derzeit ist die relativ enge Knesebeckbrücke der einzige Übergang von Zehlendorf über den Teltowkanal in die Nachbarstadt. In den letzten Kriegstagen wurde die Brücke, die die Teltow-Werft auf der Berliner Kanalseite mit ­Teltow verband, zerstört. 1981 entstand ein provisorischer Neubau zur Überwachung des wiedereröffneten Kanals; dieser Bau verschwand mit der Deutschen Einheit. An beiden Ufern des Kanals herrsche der Wille zum Wiederaufbau, doch noch sei die Finanzierung unklar, so Schellenberg. ph

Bild: Büro der Bezirksbürgermeisterin Berlin Steglitz-Zehlendorf