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Bargeldfund in Teltow

Was als einfache Kellerentrümpelung begann, entwickelte sich zu einer unerwarteten Zeitreise in die Wirren eines längst vergangenen Kapitels der Weltgeschichte. In einem Kellerraum im Teltower Musikerviertel stieß Familie Leitner auf einen ebenso spektakulären wie ­geheimnisvollen Fund: Bündelweise druckfrisches ­Papiergeld aus ­Kambodscha – sogenanntes ­„Geistergeld“ – aus dem Jahr 1975.

Die Szene könnte einem Film entstammen: Eine alte Schachtel, die letzte in der hintersten Ecke des Kellers, offenbar über Jahrzehnte unberührt, bringt plötzlich ein historisches Kuriosum ans Licht. Die darin enthaltenen Geldscheine – sauber gestapelt in Stückelungen zu 0,5, 1, 5, 10, 20, 50 und 100 Riel – sind augenscheinlich unbenutzt, mit fortlaufenden Seriennummern und in bemerkenswerter ­Druckfrische. Niemand im Haus wusste zunächst, was da eigentlich vor ihnen lag – nur dass es sich um etwas Außergewöhnliches handeln musste.

Gesamte Kollektion der kambodschanischen Riel inklusive Originalbanderole.
Der Fundort im Musikerviertel. Die Geldbündel lagen zwischen altem Gerümpel.

Bei dem Fund handelt es sich um kambodschanische Banknoten, die 1975 – kurz vor einem der dunkelsten Kapitel in der Geschichte des Landes – gedruckt wurden. Die Noten zeigen Szenen bäuerlicher Arbeit, Frauen mit Reissäcken, Landarbeiter, dazu bewaffnete Soldaten – ein idealisiertes Bild der ­kommunistischen Agrargesellschaft, wie es sich das Regime der Roten Khmer erträumt hatte. Doch die Realität sollte eine andere werden. Am 17. April 1975 übernahm die kommunistische Guerillabewegung Rote Khmer unter der Führung von Pol Pot die Macht in Kambodscha. Was folgte, war eine vierjährige Schreckensherrschaft, die das Land ins Chaos stürzte und schätzungsweise 1,7 ­Millionen Menschen das Leben kostete. Eine zentrale Säule der neuen Ideologie: die Abschaffung von Geld. In Pol Pots ­Vision einer „geldlosen Gesellschaft“ hatten Banken, Märkte und sogar Städte keinen Platz mehr. Alles wurde kollektiviert, ­privater Besitz verboten.

Warum wurde das Geld überhaupt gedruckt?

Genau diese Frage treibt Historiker und Numismatiker bis heute um. Denn obwohl die Roten Khmer offiziell jegliche Form von Währung abschafften, belegen unabhängige Quellen, dass der Druck der 1975er Banknoten noch kurz vor dem Regimewechsel in China in Auftrag gegeben wurde. Die ­Noten wurden jedoch nie in Umlauf gebracht – viele Exemplare verbrannte man systematisch nach der Machtübernahme. Lange Zeit hielt sich daher die Theorie, dass es sich bei dem 1975er Riel lediglich um ein Gerücht, gar einen Mythos, handle. Die Existenz der Noten galt als zweifelhaft – bis zu Funden wie jenem in Teltow.

Die entdeckten Geldscheine zeichnen sich durch ihre außergewöhnliche Erhaltung aus. Ihre Druckqualität, Farbechtheit und fortlaufenden Seriennummern lassen vermuten, dass sie direkt nach dem Druck in einem sicheren Umfeld gelagert wurden – und bis heute nie das Licht der Welt erblickt haben.

Rückseite des 0,1 Riel, zeigt die ländliche Bevölkerung bei der Kleidungswäsche, zudem zentral unten das Erscheinungsjahr der Banknote.
Vorderseite des 0,1 Riel, zeigt Rote-Khmer-Anhänger beim Aufstellen eines Mörsers, außerdem rechts unten die Seriennummer.

Wie gelangte das Geld nach Teltow? Familie Leitner, die den Fund machte, hat eine schlüssige Theorie: Der Großvater mütterlicherseits sei in den 1970er Jahren als Journalist für eine ostdeutsche Zeitung tätig gewesen. Im Rahmen einer Auslandsberichterstattung – mutmaßlich zum Vietnamkrieg – wurde er nach Kambodscha entsandt. Im Gepäck: frische kambodschanische Riel, vermutlich zur Deckung alltäglicher Ausgaben vor Ort, bereitgestellt von offiziellen DDR-Stellen. Doch zur Verwendung kam es nie. Der plötzliche Regimewechsel am 17. April 1975 machte alle Pläne zunichte. Die Journalisten kehrten zurück – und das Geistergeld verschwand, scheinbar vergessen, in einer alten Schachtel im Keller.

Natürlich stellte sich bei der Familie ­Leitner in Teltow zunächst auch die Frage nach dem finanziellen Wert dieses Fundes. Könnte es sich womöglich um ein kleines Vermögen handeln? Da die Banknoten nie offiziell in Umlauf waren und keinerlei Kaufkraft besitzen – weder damals noch heute – liegt ihr Wert primär im historischen und sammlerischen Bereich. Für Numismatiker, Historiker oder Liebhaber außergewöhnlicher Fundstücke können solche Noten durchaus von Interesse sein. Ihre Seltenheit, der Zustand und die spannende Geschichte im Hintergrund machen sie zu begehrten Sammlerstücken. Auf einschlägigen Auktionsplattformen erzielen ähnliche Exemplare – je nach Erhaltung – Preise von bis zu mehreren Hundert Euro pro Schein.

Der Fund in Teltow ist weit mehr als eine Kuriosität. Er ist ein stiller Zeuge einer Epoche, die von politischen Extremen, ideologischen Experimenten und menschlichen Tragödien geprägt war. Gleichzeitig erinnert er daran, wie Geschichte nicht nur in Archiven oder Museen bewahrt wird, sondern manchmal in staubigen Kartons, eingeklemmt zwischen alten Büchern, Schraubgläsern und vergilbten Zeitungen. Und wer weiß – vielleicht liegt in manch anderem Keller in unserer Region noch ein weiteres Stück Weltgeschichte ­verborgen.

Fotos: Theodor von Bülow