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Günter Duwe feiert seinen 99. Geburtstag

Der Heimatforscher Günter Duwe feiert am heutigen Sonntag seinen 99. Geburtstag. Im Frühjahr wurde er mit dem ­Teltower Ehrenamtspreis ausgezeichnet . Der studierte Chemieingenieur lebt seit 1954 in ­ Teltow und arbeitete am Institut für Polymerchemie der ­Akademie der Wissenschaften. Er ist unter ­anderem Autor des Buches „Das Teltower Rübchen“ über die gleichnamige regionale Spezialität. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es – getreu diesem Motto verbringt Günter Duwe einen Großteil seiner Zeit mit der Erforschung der Teltower Geschichte. Bücher, Karten und Urkunden stapeln sich in seinem Arbeitszimmer.

Teltower Stadtblatt: Am 06. April 1265 bekam Teltow von dem askanischen Markgrafen Otto III. die gleichen Rechte wie die Städte Brandenburg, Berlin und Spandau verliehen. Ist Teltow älter?

Günter Duwe: Das genaue Jahr, in dem der Ort Teltow gegründet wurde, ist den Historikern nicht bekannt. Am 06. April 1265 wird lediglich die Stadt ­Teltow erstmals schriftlich in lateinischer Sprache erwähnt. Daraus lässt sich zunächst schließen, dass Teltow wesentlich älter sein muss, denn um das Stadtrecht zu erhalten, muss sich ein Ort über längere Zeit entwickelt haben. Bereits 1232 wird der Name Teltow in einer Urkunde der Stadt Spandau von Otto III., genannt der Fromme, und seinem Bruder Johann I. erstmals als „Flecken“ erwähnt. Zweifellos wollte Otto III. 1265 mit der Verleihung der Stadtrechte Teltow fördern, und hätte er länger gelebt, wäre Teltow vielleicht ein anderes Schicksal beschieden gewesen. So aber starb er ein Jahr später, und Teltow fiel an seine Nachfolger, die weniger fähig waren als er. In der nächsten schriftlichen Erwähnung aus dem Jahre 1299, einer markgräflichen Urkunde, heißt es, dass das Dorf Rueueltstorp, also das heutige Ruhlsdorf, zusammen mit der Stadt Teltow und sechs weiteren Orten des Bäketals dem Bischof und dem Domkapitel von Brandenburg wegen einer Schuldverschreibung zugesprochen wurde. Teltow wurde zusammen mit den anderen Orten für 300 Mark Silber verpfändet!

Nicht die besten Voraussetzungen, um sich als Stadt zu profilieren.

Teltow hatte leider nie das Glück, sich zu einer bedeutenden Stadt zu entwickeln und blieb bis zum Bau des Teltowkanals im 19. Jahrhundert eine Ackerbürgerstadt. Anders als zum Beispiel Spandau, das in der gleichen Urkunde von 1265 erwähnt wird und bereits in slawischer Zeit, als es im Besitz der Heveller war, eine Stadt war. Die dortige Burg kontrollierte nicht nur alle Bewegungen auf der Havel, sondern auch die Mündung der Spree, die durch das Siedlungsgebiet des großen slawischen Stammes der Spreewanen führte. Auch nach der Eroberung durch die Askanier blieb Spandau eine Stadt, war Sitz eines Vogtes und Residenz des Landesfürsten. Nicht zu vergessen Berlin, das sich zu Beginn des 13. Jahrhunderts zum wichtigsten Umschlagplatz für Waren aus der Region entwickelt hat.

Gut gelegen: Teltow war von mehreren Seiten von Wasser umgeben. Karte : Archiv Günter Duwe

Wie war Teltow damals befestigt?

Teltow hatte nie eine steinerne Stadtmauer. Trotzdem war der Ort gut befestigt. Schon 1980 beschäftigte ich mich intensiv mit der „Teltowgraphie“ des Theologen und Historikers Johann Christian Jeckel. Jeckel war von 1701 bis 1737 Pfarrer in Teltow. Um 1720 verfasste er seine „Teltowgraphie“, eine Chronik der Stadt und des Kreises Teltow. Darin beschreibt er einen noch vorhandenen Wall und einen vorgelagerten Graben. Jeckel datierte die ältesten Bäume auf dem Wall auf etwa 700 Jahre. Der Wall hatte aufgrund der Topographie unterschiedliche Höhen und dürfte etwa 1.500 Schritt lang gewesen sein. Als Teltow zu wachsen begann, wurde er abgetragen, der Graben zugeschüttet und Ackerland gewonnen. Der Wall hatte zwei Tore, eines im Osten und eines im Westen.

Teltow sollte sich mehr mit seiner Vergangenheit beschäftigen

Wo genau verliefen dieser Wall und der Graben?

Quer durch die Berliner Straße. 1989 wurde hier an der Ecke Zehlendorfer Straße ein Neubau errichtet. Ich kam ­damals an der Baugrube vorbei. Es war Sonnabend, die Arbeiten ruhten. Ich schaute hinein und erkannte einen Baumstumpf. In zwei Metern Tiefe ein Baumstumpf mit Wurzeln! Ich stieg in die Grube, vermutlich der ehemalige Wallgraben. An den Wänden konnte man die verschiedenen Erdschichten erkennen, gut zu sehen der gewachsene Boden und der zugeschüttete Graben. Zufällig kam der alte Bäcker Neuendorff vorbei und sah mich in der Grube. Er brachte Werkzeug, sodass wir die Schichten freilegen und vermessen konnten. Plötzlich stand die Volkspolizei vor der Grube. Sie dachten, wir wollten einen Tunnel in den Westen graben – die Mauer war ja nicht weit. Als ich sie aufforderte, uns beim Graben zu helfen, gingen sie wieder.

1989 stieß Günter Duwe zufällig auf die Reste des Teltower Walls. Fotos: Günter Duwe
„Die Volkspolizei glaubte, ich wolle einen Tunnel in den Westen graben. Als ich ihnen vorschlug, sie sollten lieber selbst eine Schaufel in die Hand nehmen und mir helfen, gingen sie wieder“, erinnert sich Günter Duwe.

In Preußen betrug der Schritt 75,32 Zentimeter. Das würde bedeuten, dass der Wall über einen Kilometer lang war.

Nach meinen Berechnungen wurden insgesamt etwa 30.000 Kubikmeter Erde bewegt. Rein rechnerisch hätten 30 Männer mehr als zwei Jahre gebraucht, um den Wall aufzuschütten. Zu diesen Arbeitern kamen noch viele andere hinzu: Schmiede, Zimmerleute, Korbflechter und Töpfer, die die Werkzeuge herstellten und reparierten, die die Arbeiter mit Lebensmitteln versorgten, die Unterkünfte bauten. Und natürlich eine gebildete Schicht, die die Bauarbeiten leitete. Alles in allem etwa hundert Menschen. Der Kern der späteren Bevölkerung.

Wer könnte die Kraft gehabt haben, um diesen Wall um Teltow zu legen?

Da die Archäologen eine slawische ­Vorsiedlung am Platz der Altstadt ausschließen, muss die Befestigungsanlage in der askanischen Siedlungszeit in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden sein. Ich bin davon überzeugt, dass an der Gründung Teltows auch der Templerorden beteiligt war. So wie bei den Orten Tempelhof, Mariendorf und ­Marienfelde. Nur der Templerorden verfügte nachweislich zu dieser Zeit, in diesem Gebiet einerseits über die erforderlichen Kräfte, also die Leistungsfähigkeit, und andererseits über die Sachkenntnis, was die Möglichkeit einschließt, einen oder mehrere im Festungsbau erfahrene Templer aus dem Wirkungsbereich des Ordens einzubeziehen. Um die Epoche richtig einschätzen zu können, muss man wissen, dass das 13. Jahrhundert die Blütezeit des Rittertums war. Damals kämpften die verfeindeten Ritter – Askanier und Wettiner – in der Schlacht hoch zu Roß, in voller Rüstung, mit Schwert und Schild, Mann gegen Mann. Oft entschied der Tod. Unterstützt wurden sie von Fußsoldaten, die mit Lanzen aufeinander losgingen. Betrachtet man alte topographische Karten aus der Zeit vor dem Bau des Teltowkanals, so sieht man, dass Teltow von mehreren Seiten von Wasser umgeben war. Ein idealer Standort für eine Befestigung.

Wurden archäologische ­Ausgrabungen zur Erkundung des Walls und des ­Grabens in Teltow durchgeführt?

Leider nicht genug. Ich würde mir sehr wünschen, dass sich die Stadt ­Teltow mehr mit ihrer frühen Geschichte ­auseinandersetzt und ihre ­Vergangenheit erforscht. Es ist nie zu spät, damit anzufangen.

Foto: Redaktion