Potsdam-MittelmarkWirtschaft

1,1 Mio. Überstunden im Kreis Potsdam-Mittelmark

Es ist der „Fleiß-Pegel“ des Landkreises Potsdam-Mittelmark: Rund 1,10 Millionen Überstunden haben die Menschen im Landkreis Potsdam-Mittelmark im vergangenen Jahr zusätzlich am Arbeitsplatz geleistet. Davon 542.000 Stunden zum Nulltarif – ohne Bezahlung. Das geht aus dem „Überstunden-Monitor“ des Pestel-Instituts hervor. Die Wissenschaftler haben im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) die „Plus-Stunden im Job“ untersucht.

Ein pikantes Ergebnis aus dem „Überstunden-Monitor“: „Alle Beschäftigten zusammen haben den Unternehmen im Landkreis Potsdam-Mittelmark rund 7,80 Millionen Euro durch unbezahlte Mehrarbeit quasi ‚geschenkt‘. Und das ist äußerst sparsam gerechnet – nämlich nur auf Basis des Mindestlohns“, sagt Sebastian Riesner von der NGG Berlin-Brandenburg. Zudem sei der Überstundenberg auch ein Indikator für den „massiven Fachkräftemangel“.

„Allein im Gastgewerbe haben die Beschäftigten im Landkreis Potsdam-Mittelmark im vergangenen Jahr rund 41.000 Überstunden geleistet. 14.000 davon unbezahlt – quasi umsonst“, so das Pestel-Institut. Für ihre Untersuchung werteten die Wissenschaftler aktuelle Daten des Mikrozensus aus. Grundlage der Überstundenberechnung ist die Übertragung von Branchendurchschnittswerten auf die Beschäftigtenstruktur des Landkreises Potsdam-Mittelmark.

Mit Blick auf die Überstunden warnt die NGG Berlin-Brandenburg: Das Hotel- und Gaststättengewerbe könne sich nicht auf Dauer auf „Goodwill-Überstunden“ seiner Beschäftigten verlassen. „Es ist höchste Zeit, die Fachkräftelücke zu schließen, die durch die Corona-Pandemie noch größer geworden ist. Das geht aber nur, wenn das Gastgewerbe bereit ist, attraktive Löhne zu zahlen. Perspektivisch muss das Einstiegsgehalt in der Gastronomie für eine Köchin oder einen Koch nach der Ausbildung bei 3.000 Euro im Monat für eine Vollzeitstelle liegen“, so Sebastian Riesner. Dieses „Lohnziel“ müsse die Gastro-Branche Schritt für Schritt erreichen. Nur dann werde es gelingen, junge Menschen für eine Ausbildung im Gastgewerbe zu gewinnen.

Das Gastgewerbe erlebe derzeit eine regelrechte „Fachkräfte-Schwund und Mini-Job-Schub“. Ob in der Küche, im Service, an der Hotelrezeption oder an der Bar: „Die Branche versucht, fehlende Fachkräfte immer häufiger durch angelernte Beschäftigte zu ersetzen“, berichtet der Geschäftsführer der NGG Berlin-Brandenburg. Mittlerweile seien fast 33 Prozent der Gastronomie-Beschäftigten im Landkreis Potsdam-Mittelmark Minijobber.

Der Fachkräftemangel und eine faire Bezahlung in der Gastronomie, im Lebensmittelhandwerk und in der Ernährungsindustrie werden auch ein Schwerpunktthema auf dem NGG-Gewerkschaftstag Mitte November in Bremen sein, zu dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet wird.

Foto: Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)