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Max Jordan – Förderer der deutschen Kunstszene

Vom Sohn des Erfinders der Milchschokolade zum ersten Direktor der Königlichen Nationalgalerie in Berlin – ein besonderer Werdegang. Wir verfolgen die Entwicklung des Mannes, der den Grundstock für die berühmte Gemäldesammlung legte, erfahren, nach welchen Kriterien er die Bilder aussuchte, und besuchen sein Ehrengrab auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof.

Am 19. Juni 1837 wird Max Jordan in Dresden geboren. Sein Vater Gottfried Heinrich Christoph Jordan ist Fabrikbesitzer. Zusammen mit seinem Schwager August Friedrich Timaeus hatte er eine Produktion von Zichorienkaffee, Nudeln und Schokolade aufgebaut, zu deren Erfolg die Anschaffung einer Dampfmaschine entscheidend beitrug. Zwei Jahre nach der Geburt von Max gelingt der Firma eine revolutionäre Erfindung: Die weltweit erste Milchschokolade – zunächst noch mit Eselsmilch – wird herausgebracht. 1845 brennt das Fabrikgebäude ab, wird aber schnell wiederaufgebaut, sogar noch größer und schöner. Die Firma expandiert ins nahe Ausland und hat 1874 die stattliche Anzahl von 500 Mitarbeitern.

Doch zurück zu Max: Er besucht zunächst die Krausesche Lehr- und Erziehungsanstalt, dann – wie vor ihm Richard Wagner und andere bedeutende Persönlichkeiten – das Gymnasium der berühmten Kreuzschule. Dort entwickelt er ein außergewöhnliches Hobby, er beschäftigt sich nämlich mit den damals üblichen Kurzschriftsystemen und verfasst 1852 ein Manuskript mit dem Titel „Versuch zur Einigung der beiden deutschen Stenographie-Systeme“. Ab 1856, nach dem Abitur, studiert er in Berlin, Bonn, Leipzig und Jena das Fach Geschichte. Weshalb er die Universitäten so oft wechselte, ist nicht überliefert, sicher ist jedoch, dass er der schlagenden Studentenverbindung „Teutonia Jena“ beitrat, die später für ihre antisemitischen Aktivitäten bekannt wurde. 1859, bereits nach drei Jahren Studium, wird er mit einer Arbeit über einen spätmittelalterlichen böhmischen König zum Dr. phil. promoviert.

Wie damals üblich, unternimmt er danach eine Studienreise nach Italien, die einen wichtigen Einfluss auf seine weitere Karriere hat: Er beschließt nun, sich ausschließlich mit Kunstgeschichte zu befassen. Nach der Rückkehr im Spätsommer 1861 heiratet er Agnes Preuß und tritt 1864 in die Redaktion der liberalen und dem literarischen Realismus zugewandten Zeitschrift „Die Grenzboten“ ein, bleibt dort aber nur bis 1870. Den Herausgeber und Schriftsteller Gustav Freytag kennt er aus seiner Leipziger Studienzeit. Im Frühjahr 1871 wird Jordan Leiter des städtischen Museums in Leipzig, ein Jahr später legt er seine Habilitationsschrift über Leonardo da Vinci vor und wird Dozent an der Leipziger Universität.

Museumsdirektor in Berlin

1874 kommt dann der große Karriere-sprung: Er wird zum ersten Direktor der Königlichen Nationalgalerie in Berlin berufen, fünf Jahre später wird er Mitglied des Senats der Königlichen Akademie der bildenden Künste und erhält vom preußischen Kultusministerium zunächst den Titel „Vortragender und Geheimer Regierungsrat“, später dann „Geheimer Oberregierungsrat“. Um diesen Werdegang zu verstehen, muss man sich näher mit seiner Tätigkeit befassen.

1874 wurde Jordan zum Direktor der königlichen Nationalgalerie in Berlin berufen und fünf Jahre später zum Mitglied des Senats der königlichen Akademie der bildenden Künste ernannt.

Die Königliche Nationalgalerie (heute die Alte Nationalgalerie), ein imposantes und architektonisch an antike Tempel angelehntes Gebäude, befindet sich auf der Berliner Museumsinsel. Erst 1876 wird sie eröffnet, Jordan begleitet also ihre Fertigstellung, kann aber auf die Architektur keinen Einfluss mehr nehmen. Das ist bedauerlich, denn der nach einer Skizze von König Friedrich Wilhelm IV. konzipierte Neubau des Schinkelschülers Friedrich August Stüler ist eigentlich als Museum nicht optimal geeignet. Den Grundstock der Sammlung bilden 262 Gemälde, die der Bankier Johann Heinrich Wagener zur Gründung eines Nationalmuseums gestiftet hatte. Schon bei dieser Gemäldeauswahl handelt es sich überwiegend um romantisch-patriotische Darstellungen, in den folgenden Jahren durch Ankäufe des preußischen Landtags und der Landeskunstkommission (bei denen Jordan kein Mitspracherecht hat) durch weitere patriotisch-kriegerische „Schinken“ ergänzt, auf denen das deutsche Kaiserreich verherrlicht wird. Mit der Königlichen Nationalgalerie soll Preußens Führungsrolle bei der Glorifizierung der „deutschen“ Kunst signalisiert werden.

Jordans Geschmack geht in eine andere Richtung: Der Stil der „Nazarener“ (Peter von Cornelius, Friedrich Wilhelm von Schadow und Friedrich Overbeck) mit ihren religiösen Themen und einer Bildsprache, die der Renaissance entlehnt ist, sagt ihm besonders zu, und das prägt auch seine eigene Ankaufspolitik. Noch heute befindet sich eine bedeutende Nazarener-Sammlung im Archiv der Alten Nationalgalerie.

Aber Jordan sorgt auch dafür, dass Gemälde von Arnold Böcklin, Anselm Feuerbach, Max Klinger und Max Liebermann den Weg ins Museum schaffen. Mit Letzterem verbindet ihn eigentlich eine bittere Feindschaft, denn Liebermann pflegt in vielen seiner Bilder düstere Stimmungen, verwendet realistische Sujets und dunkle Farben, womit Jordan nichts anfangen kann. Nur ein Bild findet bei ihm Gnade: „Flachsscheuer“, ausnahmsweise hell und in freundlicher Farbgebung. Adolf Menzel ist auch ein Maler, den er schätzt – allerdings nur, wenn er dem Gemälde seinen eigenen Stempel aufdrücken kann. So erhält das Bild „Eisenwalzwerk“ in Anspielung an die antike Mythologie den Zusatztitel „Moderne Cyklopen“. Menzels Reaktion darauf ist nicht überliefert. Über das Werk dieses Malers veröffentlicht Jordan 1905 eine Monografie.

Max Jordan (1837 – 1906), ­ gemalt von Wilhelm Jordan.

Bereits 1895 hat Max Jordan aber schon sämtliche Ämter niedergelegt und sich auf seine Tätigkeit als Privatgelehrter und Schriftsteller zurückgezogen. Grund dafür war der Tod seiner ersten Frau. Zwei Jahre später heiratet er die Witwe Hedwig Torges, geb. Köppe. Ob aus seinen Ehen Kinder hervorgingen, ist unbekannt. Am 11. November 1906 stirbt Jordan im Alter von 69 Jahren in seinem Haus in Steglitz (damals noch „bei“ Berlin) und wird auf dem St. Matthäus-Kirchhof in Schöneberg beigesetzt. Auf dem Grabstein befindet sich ein Relief des Bildhauers Hugo Lederer. Auf der Rückseite des Reliefs, von dem noch mehrere Abgüsse existieren, steht: „ZUM . 25. JAEHRIGEN / JUBILAEUM . GEWID. / VON DER VERBIND.G FUER / HISTOR . KUNST. / JUNI . 1906“. Auf der Hauptversammlung der Verbindung am 12. / 13. Juni 1906 hatte man nämlich beschlossen, das 25-jährige Engagement Jordans als deren Geschäftsführer zu ehren.

Da der Friedhof 1938 / 39 von den Nationalsozialisten eingeebnet wurde, verlegte man Jordans Grab samt Grabstein nach Stahnsdorf, wo das Ehrengrab im Block Trinitatis, Feld 21, Wahlstelle 162 zu finden ist.

Fotos: Pixabay.com und Wikipedia