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Dreht sich die Erde schneller, wenn Blätter fallen?

Die Geschichte hält sich hartnäckig – ist es wirklich wahr, dass sich die Erde im Herbst schneller dreht, weil die Blätter der Bäume zu Boden fallen? Die Logik hinter dieser Annahme ist, dass sich Körper schneller drehen, wenn sich die Masse in Richtung der Drehachse bewegt. Ein Beispiel ist eine Eiskunstläuferin, die bei einer Pirouette die Arme an den Körper zieht und sich dadurch schneller dreht. Ähnlich verhält es sich mit den Blättern eines Baumes, die sich beim Fallen näher zur Drehachse der Erde bewegen. Dreht sich die Erde im Herbst also schneller?

Die Erdrotation ist die Drehung der Erde um ihre eigene Achse. Die Drehachse heißt Erdachse. Die Erde dreht sich nach Osten. Vom Polarstern aus gesehen dreht sich die Erde gegen den Uhrzeigersinn. Die mittlere Dauer einer Umdrehung gegenüber dem als ruhend angenommenen kosmischen Hintergrund (auch mittlerer siderischer Tag genannt) beträgt 23 Stunden, 56 Minuten und 4,0989 Sekunden. Als Referenzpunkte für die genaue Messung der Umlaufzeit dienen heute unter anderem extragalaktische Radioquellen, die mit Hilfe der Radiointerferometrie beobachtet werden. Diese genauen Messungen zeigen, dass die Dauer eines Umlaufs und damit die Tageslänge nicht streng konstant ist. Dafür gibt es mehrere Gründe, die oft ineinander greifen. Dazu gehören der Austausch von Drehimpulsen zwischen Erdkern und Erdmantel, Verschiebungen in der Verteilung von Wasser oder Eis auf der Erdoberfläche, Winde, die gegen große Gebirgsketten wie die Anden oder die Rocky Mountains wehen, oder Massenverlagerungen durch starke Erdbeben.

Am Äquator dreht sich die Erde mit etwa 1670 Kilometern pro Stunde und in unseren Breiten, mit etwa 1000 Kilometern pro Stunde.

Auch Verschiebungen der Biomasse spielen eine Rolle. Denn wenn im Herbst das Laub zu Boden fällt, also näher an die Rotationsachse unseres Planeten rückt, verändert sich die Massenverteilung der Erde. Der rotierende Körper erhöht dann seine Drehgeschwindigkeit. Das ist wie bei einer Eiskunstläuferin, die sich um die eigene Achse dreht. Durch den Pirouetteneffekt dreht sie sich schneller, wenn sie die Arme eng am Körper hält. Streckt sie die Arme aus, wird sie langsamer. Die Universität Bonn hat bereits vor einigen Jahren in einer Studie einen Zeitraum von 10 Nanosekunden ermittelt, um den sich die Erde im Herbst schneller dreht als im Sommer oder Frühling. Um die Relation zu verdeutlichen: Eine Sekunde hat 1 Milliarde Nanosekunden. Dieser Effekt tritt auf, obwohl auf der Südhalbkugel zur gleichen Zeit die Blätter wachsen, die Vegetationsmasse dort aber insgesamt geringer ist. Auch die Umverteilung der Wassermassen in Form von Schnee in die Hochlagen der Gebirge kompensiert den Effekt des Laubfalls.

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