Wie kann sich Teltow ans Klima anpassen?
Martin Emmendörffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gehörte bis zu den Kommunalwahlen der Teltower Stadtverordnetenversammlung an und war Vorsitzender des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt und Energie. Seit Juli ist er als sachkundiger Einwohner im Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr tätig und Mitglied im Aufsichtsrat der Fernwärme Teltow GmbH.
Teltower Stadtblatt: Kann sich Teltow dem immer unbeständigeren Klima anpassen?
Martin Emmendörffer: Das Wichtigste ist, zu akzeptieren, dass die Welt so ist, wie sie ist, und dass die Klimaerwärmung auch vor Teltow nicht Halt machen wird. Das muss vor allem den Menschen in der Stadtverwaltung klar sein, denn sie müßen handeln. 2010 wurde das erste Teltower Klimaschutzprogramm erarbeitet. Darin wurden viele gute Maßnahmen beschrieben. Vor allem zum Thema Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Hier könnte Teltow gut steuern und dafür sorgen, dass weniger CO2 ausgestoßen wird – insbesondere bei der Fernwärmeerzeugung. Dazu gehören der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, aber auch begrünte Bushaltestellen, die es in der Stadt schon gibt.
Einer der ersten Beschlüsse der SVV 2019 war, dass Teltow den Klimanotstand anerkennt. Was folgte?
Es gab vier zentrale Punkte, unter anderem, dass es einen Klimaschutzmanager für die Stadt gibt. Matthias Putzke hat in dieser Funktion sehr viel auf den Weg gebracht. Was bis heute noch fehlt, ist seine automatische Beteiligung bei der Aufstellung von Bebauungsplänen, die für die Stadtentwicklung sehr wichtig sind. Insbesondere bei diesen Verfahren sollte die Beurteilung des Klimaschutzmanagers vorliegen. Es geht um die Frage: Wie wirkt sich die neue Bebauung auf das Klima in der Stadt aus? Es geht zum Beispiel um die Frage: Wie trägt der verwendete Beton zur Erwärmung des Stadtklimas bei? Und ich glaube, dass man bei solchen Maßnahmen die Bevölkerung stärker einbeziehen muss, weil es um ihre Zukunft geht. Man sollte die Menschen fragen: Wie soll das Leben in der Stadt im Jahr 2050 aussehen? Alles, was heute gebaut wird, hat Auswirkungen für mindestens die nächsten 50 Jahre. Die Stadtverwaltung ist in der Gegenwart gefangen – es gibt oft zu viel, was sofort erledigt werden muss, und deshalb fehlt die Zeit, sich auf die Zukunft zu konzentrieren. Deshalb braucht Teltow ein verbindliches Zukunftsbild. Ausgehend von den Lebensvorstellungen seiner Bewohner. Hierzu sollte es einen Bürgerbeirat geben.
Hitzetage und Tropennächte nehmen zu. 2055 könnte in der Region ein Klima wie heute in Rom herrschen. Dort gibt es über 2.500 öffentliche Trinkwasserbrunnen. Seit Juli hat Teltow den ersten Brunnen am Gesundheitszentrum.
Ein richtiger erster Schritt, denn besonders ältere Menschen und Kinder leiden unter der Hitze. Mehr solcher Brunnen wären wünschenswert, aber auch viele andere Maßnahmen. Klimaforscher rechnen damit, dass gerade die heute 10- bis 20-Jährigen von den Folgen einer starken Erderwärmung besonders betroffen sein werden. Das bedeutet: Wir müssen uns genau überlegen, was, wo und wie wir in Zukunft bauen. Wir brauchen eine nachhaltige Stadtentwicklung, die soziale und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. Wenn wir mehr Wohnraum schaffen, bedeutet das auch mehr Einwohner und mehr Mobilitätsbedarf. Das kann mehr Autos und damit Stau, Lärm und CO2-Ausstoß bedeuten oder die Entscheidung, auf gute, breite und sichere Radwege in der Region zu setzen und die Taktung des ÖPNV zu erhöhen. Eine Stadt kann nur leben, wenn es grüne und blaue Infrastruktur gibt. Bäume und Wasser. Deshalb sollen Grünflächen in der Stadt erhalten und nicht bebaut werden. Zum Beispiel die Hollandwiesen und die Buschwiesen. Der August-Mattausch-Park ist eine Oase für alle Generationen. Jeder Baum, der hier zusätzlich gepflanzt wird, sorgt für Schatten, Ruhe und saubere Luft. Auch die Spielmöglichkeiten im Park für Kinder könnten aufgewertet werden. Teltow hat sich die Mühe gemacht, ein Planungsbüro mit einem Konzept zu beauftragen, das zügig umgesetzt werden sollte.
Der Bau der neuen S-Bahn-Trasse wird voraussichtlich durch die Buschwiesen führen. Wie stehen Sie dazu?
Die S-Bahn wird den Autoverkehr in der Region entlasten. Sie muss aber so gebaut werden, dass die Buschwiesen so wenig wie möglich darunter leiden. Ziel muss es sein, die vorhandenen Grünflächen weitgehend zu erhalten und nicht die billigsten Bebauungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Es sollte hier nicht um Wirtschaftlichkeit gehen, sondern um die Zukunft der Mobilität und unserer Lebensqualität. Die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht und die Erwartung, in diese Entscheidungen eingebunden und ernst genommen zu werden. Wenn das nicht geschieht, wird die Akzeptanz der Politik immer mehr schwinden. Deshalb ist es gut, dass es einen S-Bahn-Ausschuss gibt und dass man sich Rückmeldungen aus der Bevölkerung holt.
Gibt es Vorbilder, von denen Teltow im Bereich der städtischen Klimaanpassung lernen kann?
Das Deutsche Institut für Urbanistik hat dazu viel zusammengetragen. Die Lösungen gehen weit über das bekannte Modell der Schwammstadt hinaus, bei der das Wasser im städtischen Lebensraum zurückgehalten und nach und nach wieder abgegeben wird. Zum Beispiel Fassadenbegrünung. Wie anders wäre das Klima in der Potsdamer Straße, wenn einige Fassaden begrünt wären! Dazu bräuchte es eine Gestaltungssatzung für den öffentlichen Raum, die in Teltow noch fehlt. Andere Städte haben sie schon und schreiben vor, dass Fassaden ab einer bestimmten Größe begrünt werden müssen. In Teltow kenne ich nur ein Gebäude, an dem es eine Fassadenbegrünung gibt. Außerdem könnte mehr Holz statt Beton verwendet werden – auch das gibt es in anderen Städten. Teltow sollte bei Verhandlungen mit Investoren, die hier neu bauen wollen, auf Begrünung und die Verwendung nachhaltiger Baustoffe bestehen. Am 01. Juli ist das Klimaanpassungsgesetz in Kraft getreten. Es verpflichtet die Kommunen, Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel festzulegen. In Teltow könnte die Bebauung des Ruhlsdorfer Platzes eine große Chance für die städtische Klimaanpassung sein. Das betrifft natürlich auch die Umgestaltung des Verkehrs. Und ich würde bei diesem Thema auch Kinder in den Schulen fragen: Wie soll eure Stadt aussehen, wenn ihr erwachsen seid? Denn alles, was wir jetzt bauen, bauen wir für unsere Kinder. Ihnen sind wir verpflichtet!
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