Königs Wusterhausen: Täter bewegte sich im Querdenker-Milieu
Am Sonnabend hatte ein Familienvater aus dem Königs Wusterhausener Ortsteil Senzig zunächst seine 4-köpfige Familie und anschließend sich selbst umgebracht. Nun legen erste Ermittlungen legen nahe, dass er sich online im Querdenker-Milieu bewegt hatte. In einem Abschiedsbrief äußerte er die Angst vor schweren Konsequenzen, nachdem die Fälschung eines Impfzertifikats seiner Ehefrau aufgeflogen war.
Devid R., der im Königs Wusterhausener Ortsteil Senzig zuerst seine Familie und anschließend sich selbst erschossen haben soll, war laut ersten Ermittlungen in verschiedenen Telegram-Gruppen der „Querdenker“- und Impfgegner-Szene vernetzt. Zuerst hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) darüber berichtet.
Selbst war R. jedoch nur an zwei Tagen aktiv; für Ende Juli 2021 lassen sich Beiträge nachweisen. Dabei ging es um die Falschbehauptung, dass Ungeimpfte nach Kontakte mit Geimpften an Gürtelrose erkranken. Außerdem kündigte er an, gegen die Corona-Maßnahmen einzuschreiten: „Ich bin bereit, mich mit allem, was ich aufzubieten habe, zu wehren“, so der Tatverdächtige in einem seiner Posts. Er sei zudem stark für seine Familie, „komme, was da wolle“. R. stellte sich gegen die Maßnahmen zur Corona-Eindämmung und hatte laut Abschiedsbrief das Impfzertifikat seiner Ehefrau fälschen lassen. R. äußerte in seinem Schreiben Angst vor einer Festnahme und dem Entzug seiner Kinder, nachdem die Fälschung aufgeflogen war: Der Arbeitgeber von R.s Ehefrau, die Technische Fachhochschule (TFH) Wildau, hatte zuvor am 24. November die für alle Hochschulbeschäftigten geltende 3G-Regel umgesetzt, wobei die Fälschung entdeckt wurde. Laut Abschiedsbrief habe die TFH angekündigt, der Fälschung „mit aller Strenge“ nachzugehen. Laut Wissenschaftsministerium habe sie jedoch lediglich angekündigt, die Betroffene zunächst zu einer schriftlichen Stellungnahme aufzufordern.
Finanzielle Sorgen als zusätzliche Belastung?
Nach Entdeckung der Fälschung sah sich der Familienvater, ein 40-jähriger Berufsschullehrer, möglicherweie mit beruflichen und finanziellen Sorgen konfrontiert. Der RBB berichtet zudem, der Verdächtige habe im großen Stil Impfpässe gefälscht. Dieser habe nach der Entdeckung der Fälschung Sorge um den Fortbestand seiner Familie gehabt.
„Die Vorstellungen des Mannes waren völlig verquer“, unterstreicht Oberstaatsanwalt Gernot Bantleon der Nachrichtenagentur DPA. Der 40-Jährige sei weder polizeilich in Erscheinung getreten, noch sei die Familie beim Jugendamt aufgefallen. „Eine Haftstrafe bei einem Ersttäter, das ist völlig undenkbar. Ebenso die Wegnahme der Kinder.“ In dem Schreiben werde deutlich, dass der Mann vermutlich eher psychische Probleme gehabt haben müsse, da seine Vorstellungen mit den Tatsachen nichts mehr zu tun hätten, so Bantleon.
Die Befürchtungen R.s decken sich mit dem in Querdenker-Kreisen immer präsenteren Bild, man lebe in einer „Diktatur“, die keine Grundrechte mehr respektiere, die Freiheit des Einzelnen bedrohe und die Menschen „zum Äußersten“ treibe. Dieses Feindbild, gepaart mit Falschmeldungen über Impfungen und mit mutmaßlichen psychischen Problemen, kann zu Bluttaten wie in Senzig oder in Idar-Oberstein führen, als ein Maskenverweigerer einen Tankstellenkassierer im bayerischen Idar-Oberstein erschoss, nachdem dieser ihn zum Tragen einer Maske aufgefordert hatte. Björn Höcke, offen rechtsextremer AfD-Fraktionsvorsitzender in Thüringen, bedient in einem Facebook-Post dieses „Diktatur“-Denkmuster und versteigt sich zu der Spekukation: „Waren die Eltern so verzweifelt, daß sie sich vielleicht sogar einvernehmlich zu dieser schrecklichen Konsequenz entschieden haben? Wie groß muß die Verzweiflung von Eltern sein, die ihre Liebsten töten?“ Die etwa auf Telegram zunehmend präsenten Endkampf- und Widerstands-Aufrufe, zu denen sich auch R. bekannt hatte und die zu dessen Radikalisierung beigetragen haben dürften, bleiben indessen unkommentiert. ph