
Der Biomembranreaktor von Stahnsdorf
Der globale Wasserverbrauch ist in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen, doch die natürlichen Wasserressourcen werden, bedingt durch den Klimawandel, immer knapper. Muss das Wasser für den privaten Konsum, Landwirtschaft und Industrie immer Trinkwasserqualität haben? Nicht nur für die Hydrologen ist längst klar, dass hier ein Umdenken notwendig ist und auch das Abwasser ganz anders genutzt werden kann.
In der Kläranlage Stahnsdorf gibt es, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, neben den eigentlichen Klärbecken eine interessante Pilotanlage, der mobile Biomembranreaktor. Gefördert wird dieses Projekt zur Aufbereitung von Schmutzwasser für die Landwirtschaft vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt und den Berliner Wasserbetrieben.
In einem ehemaligen Kühlcontainer, der früher auf einem Lastwagen montiert war, ist jetzt, auf engstem Raum, eine ausgefeilte Technik zur Wasseraufbereitung installiert. Für die Pilotanlage wird ein Teil des Abwassers aus dem Vorbecken der Kläranlage abgezweigt. In einer Kombination aus mechanischen Filtern und biochemischen Prozessen wird das Wasser dann in diesem Kühlcontainer so weit geklärt, dass es sich wieder für die Landwirtschaft nutzen lässt. Das so gereinigte Wasser ist am Ende des Prozesses für den Laien nicht mehr mit bloßem Auge von Trinkwasser zu unterscheiden. Die Anlage ist in der Lage, täglich 40.000 Liter Abwasser so weit aufzubereiten, dass es direkt wieder auf den Feldern zur Bewässerung verwendet werden kann. Allein hier in Brandenburg gibt es noch um die zweihunderttausend Haushalte, die nicht an die Kanalisation angeschlossen sind. Mit dem mobilen Biomembranreaktor ließen sich diese Häuser anfahren, deren Sickergruben leeren und das Abwasser direkt vor Ort wiederaufbereiten. Bisher wässern die Landwirte ihre Felder hauptsächlich mit Grundwasser.


Der Grundwasserspiegel ist, nach einer Analyse der vorhanden Grundwassermessstellen, auch in Potsdam-Mittelmark in den letzten Jahren deutlich abgesackt. Umso wichtiger werden künftig Kreisläufe von Vor-Ort-Aufbereitung und Wiederverwendung, damit das Wasser nicht, nach einer zentralen Reinigung, ausschließlich in die Flüsse geleitet wird und damit aus der Region abfließt. Die Leiterin der Abteilung Forschung und Entwicklung der Berliner Wasserwerke, Regina Gnirss, weist auf die Notwendigkeit hin, bei der Wasserversorgung stärker zu diversifizieren – nach dem Motto „Fit for Purpose“. Es sei nicht notwendig, das Wasser ausschließlich in Trinkwasserqualität aufzubereiten, vielmehr seien verschiedene Reinigungsstufen und Wassersorten denkbar, die für die jeweilige Anwendung am besten geeignet seien. Für Autowaschanlagen, den Rasen oder Löschwasser der Feuerwehr braucht es kein Wasser der höchsten Reinigungsstufe. Abwasser wird allgemein noch vorrangig als Entsorgungsproblem angesehen, doch es wird schon längst zur Energiegewinnung, etwa in Biogasanlagen genutzt. Mithilfe des aufbereiteten Wassers durch eine mobile Membranbioanlage lässt sich auch die Nährstoffversorgung der Ackerböden anders regeln. Vor allem im Abwasser aus Haushalten ist viel Phosphor und Nitrat enthalten, das man bei der Aufbereitung als Ressource im Brauchwasser belassen und direkt zur Düngung nutzen kann.
Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Umweltbundesamtes, Aaron Bauer, erklärt, dass das Wasser am Ende des Reinigungsprozesses in der Pilotanlage nicht nur frei von Partikeln sei, sondern auch zu 99,99 Prozent frei von Viren und Bakterien. Mit dem Aktivkohlefilter und UV-Brenner sei es außerdem möglich, Rückstände aus Medikamenten herauszufiltern. So ließen sich auch die Ziele der neuen EU-Kommunalabwasser-Richtlinie (KARL) einhalten. Danach müssen ab diesem Jahr 80 % der Rückstände von Arznei-mitteln und Kosmetikprodukten herausgefiltert werden.
Doch schon bevor dieses neue EU-Gesetz in kommunales Recht umgesetzt wird, gibt es Widerstand von Seiten der Pharmaindustrie. Denn laut KARL sollen für diese dann notwendige 4. Reinigungsstufe das Verursacherprinzip gelten und die zusätzlichen Kosten für diesen weiteren Reinigungsschritt von den Arzneimittelherstellern und der Kosmetikindustrie bezahlt werden und nicht von den Wasserkunden. Vor allem der Verband Pro Generika wehrt sich gegen steigende Ausgaben durch die neue EU-Verordnung und droht damit, bestimmte Arzneimittel, wie das Diabetesmedikament Metformin, das Antibiotikum Amoxicillin oder das Krebsmedikament Tamoxifen vom Markt zu nehmen.


Bisher geht man hierzulande selbstverständlich davon aus, dass man jederzeit den Wasserhahn aufdrehen kann und das Trinkwasser risikolos genutzt werden kann. Wasserknappheit war hier lange Zeit kein Thema. Bedingt durch die Klimaerwärmung hat sich der Bedarf an Wasser zur Bewässerung von 2009 bis 2019 um 36 Prozent erhöht, so das Umweltbundesamt. Der Wassermangel wird in Europa und in Deutschland in den kommenden Jahren weiter zunehmen, wie in den letzten Sommern deutlich spürbar war. Der Grundwasserspiegel sank ab, sodass die Bäume mit ihren Wurzeln nicht mehr heranreichten, die Waldbrände nahmen zu, und an Rhein und Mosel war der Schiffsverkehr durch niedrigen Wasserstand stark eingeschränkt. Da ist ein Umdenken beim Wasserverbrauch dringend notwendig. In anderen Ländern ist man in der differenzierten Nutzung des verfügbaren Wassers schon einen Schritt weiter. Singapur deckt schon 40 Prozent seines Wasserbedarfs durch aufbereitetes Abwasser. Israel recycelt zu fast 90 Prozent sein Abwasser und nutzt etwa die Hälfte davon zur Bewässerung in der Landwirtschaft. In Windhuk, der Hauptstadt von Namibia wird schon seit 1968 Abwasser so weit aufbereitet, dass es auch als Trinkwasser genutzt werden kann. Damit das aufbereitete Wasser schnell und ohne teure Rohrleitungen und Pumpen schnell zu den Landwirten kommt, könnte eine mobile Aufbereitungsanlage hilfreich sein. Jordanien hat bereits, laut Aaron Bauer, Interesse an der praktischen Umsetzung des Stahnsdorfer Pilotprojekts eines mobilen Biomembranreaktors signalisiert.
Die Kosten für die Wasseraufbereitung werden mit den sich abzeichnenden Herausforderungen durch den Klimawandel und notwendige neue Verfahren steigen. In der Pilotanalage im Klärwerk wird auch erprobt, wie sich mithilfe ausgefeilter digitaler Messtechnik und Fernsteuerung Kosten für Personal und Wartung minimieren und damit für die Abwasserentsorgung einsparen lassen.
Es bleibt zu hoffen, dass die Ergebnisse dieser Pilotanlage zügig umgesetzt werden. Bisher nutzt die Landwirtschaft noch zu über 69 Prozent das Grundwasser, doch die weltweiten Wasserreserven von Süßwasser sind knapp.
Fotos: Ute Bönnen