Verkehrsrecht: spannende Urteile 2025
2025 fielen zahlreiche Gerichtsentscheidungen, die für Verkehrsteilnehmer eine wichtige Rolle spielen. Welche Urteile aus diesem Jahr Autofahrer kennen sollten, verrät Melanie Leier, Anwältin für Verkehrsrecht und Partneranwältin von Geblitzt.de. Die Entscheidungen verdeutlichen, wie sich bereits kleine Details auf Sanktionen, Bußgelder und Fahrverbote auswirken können.
Gewalt gegen Blitzer
Das Oberlandesgericht Hamm hat festgelegt (Az. 4 ORs 25/25), dass bereits das Umstoßen eines Blitzers den Straftatbestand des „Unbrauchbarmachens“ einer Messanlage gemäß § 316b StGB erfüllt – selbst, wenn das Gerät nicht beschädigt wird. Entscheidend sei, dass durch die Handlung der Messbetrieb vorübergehend unterbrochen wird, wodurch der Blitzer seinen Zweck nicht erfüllen kann. Melanie Leier erklärt: „Das Urteil verdeutlicht, dass gezielte Eingriffe in öffentliche Anlagen, auch ohne sichtbare Schäden, strafrechtlich relevant sind. In diesem konkreten Fall wurde dem Angeklagten für das Umtreten des Blitzers eine Geldstrafe von 1.600 Euro auferlegt.“
Toleranzabzug zugunsten des Fahrers
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat klargestellt (Az. 201 ObOWi 22/25), dass beim Toleranzabzug von Geschwindigkeitsmessungen Zwischenwerte zugunsten des Fahrers aufgerundet werden müssen. „Im entschiedenen Fall führte dies dazu, dass eine ursprünglich auf 155 km/h festgesetzte Geschwindigkeit nach Abzug der fünfprozentigen Toleranz auf 150 km/h korrigiert wurde, was das Bußgeld von 480 auf 320 Euro senkte“, so Melanie Leier.
Mehr Datentransparenz
Mehrere Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Az. 1 VB 173/21, 1 VB 36/22, 1 VB 11/23) legen fest, dass Bußgeldbehörden künftig sämtliche vorhandenen Messdaten offenlegen müssen – auch solche, die sich nicht in der klassischen Verfahrensakte befinden. Die Anwältin betont: „Diese neue Transparenz ermöglicht es, Messverfahren noch gründlicher zu überprüfen und etwaige Fehler aufzudecken, was für eine faire Verteidigung in Bußgeldverfahren von zentraler Bedeutung ist.“
Fahrverbot bei Wiederholungstätern
Mit der Entscheidung des Kammergerichts Berlin (Az. 3 ORbs 110/25) werden die Maßstäbe für die Umwandlung eines Fahrverbots in ein Bußgeld deutlich verschärft. „Für uneinsichtige Wiederholungstäter gilt: Ein Fahrverbot wird künftig fast regelmäßig verhängt — selbst gravierende berufliche Härten werden nur noch selten als ausreichender Grund anerkannt“, erklärt Melanie Leier. Damit setzt das Gericht ein deutliches Signal: Verkehrssicherheit geht vor individuellen Ausnahmewünschen, und wer wiederholt gegen Regeln verstößt, muss mit konsequenten Sanktionen rechnen.

Riskantes Verhalten nicht automatisch strafbar
Der Bundesgerichtshof (Az. 4 StR 168/25) stellt klar, dass riskantes Fahrverhalten nicht automatisch als „gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“ (§ 315b StGB) gewertet werden kann. Die Verkehrsrechtsexpertin erläutert: „Für eine strafbare Handlung muss eine konkrete Gefahr für Menschen oder bedeutende Sachwerte bestanden haben – also eine Situation, die einem Beinahe-Unfall entspricht. Ohne einen solchen Nachweis bleibt das Verhalten strafrechtlich folgenlos.“
Rechte bei fiktiver Schadensabrechnung gestärkt
Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. VI ZR 300/24) stärkt die Rechte Unfallgeschädigter bei der fiktiven Schadensabrechnung. Der BGH erklärt, dass Geschädigte ihren Schaden weiterhin auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens zum Nettobetrag abrechnen dürfen – ganz ohne Vorlage einer Reparaturrechnung. Dies gilt selbst dann, wenn das Fahrzeug tatsächlich gar nicht oder deutlich günstiger, etwa im Ausland, repariert wird. „Damit bestätigt der BGH ein wichtiges Prinzip: Der Geschädigte bestimmt selbst, wie er mit seinem beschädigten Fahrzeug verfährt, ohne sich von Versicherern auf bestimmte Reparaturwege oder -kosten verweisen lassen zu müssen“, so Melanie Leier.
Alkoholgrenzwert für E-Scooter
Das OLG Hamm hat eine wichtige Klarstellung für E-Scooter-Fahrer (Az. 1 ORs 70/24) getroffen: Für sie gilt – ebenso wie für Autofahrer – ein Grenzwert von 1,1 Promille für die unwiderlegliche Annahme absoluter Fahruntüchtigkeit. Die Anwältin betont: „Wer diesen Wert erreicht oder überschreitet, muss mit entsprechenden strafrechtlichen Konsequenzen sowie fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen rechnen.“ Das Gericht stärkt damit die Rechtssicherheit und macht deutlich, dass E-Scooter im Straßenverkehr nicht als „alkoholtolerante“ Fortbewegungsmittel gelten.
Rechtsfahrgebot ignoriert: Pedelec-Fahrer trägt Mitschuld
Auch Rad- oder E-Bike-Fahrer müssen sich im Straßenverkehr an das Rechtsfahrgebot halten. Das gilt auch dann, wenn sie auf einem Fahrradschutzstreifen durch einen Kreisverkehr fahren. Andernfalls droht eine Mithaftung für Unfälle, wie das Landgericht Lübeck (Az. 9 O 146/24) entschieden hat. In dem konkreten Fall stockte der Verkehr im Kreisel, sodass ein Autofahrer anhalten musste. Dabei ragte ein Teil seines Hecks leicht in den Fahrradschutzstreifen hinein. Ein Pedelec-Fahrer prallte gegen das stehende Auto, wodurch ein Schaden entstand. „Auch auf dem Schutzstreifen gilt das Rechtsfahrgebot gemäß § 2 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Das Gericht stellte fest, dass bei Einhaltung des Rechtsfahrgebotes ein Vorbeifahren am stehenden Auto möglich gewesen wäre. Dem Pedelec-Fahrer wurde deshalb eine Mithaftung von 35 % auferlegt“, erklärt Melanie Leier.
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