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Eine wichtige Lücke in der Stadtgeschichte geschlossen: Buch über den Nationalsozialismus in Teltow erschienen

Am 11. November erscheint im BeBra Verlag das Buch „Bereitwillig mitgemacht“? – Teltow im Nationalsozialismus 1933-1945 – Herausgeber Gabriele Bergner. Dieses Buch beleuchtet zum ersten Mal die Stadtgeschichte in den Jahren 1933 bis 1945. Trotz einer schwierigen Quellenlage gelang es auf Basis einer über zehnjährigen Recherchearbeit, einen Überblick über Strukturen, Entwicklungen und handelnde Personen zu erarbeiten. Ein Gastbeitrag von Jens Leder.

Bereitwillig mitgemacht“? – Teltow im Nationalsozialismus 1933-1945 heißt die erste wissenschaftlich erarbeitete Monografie über die Zeit der NS-Herrschaft in Teltow. Sie ist das Ergebnis einer über zehnjährigen ehrenamtlichen Recherchearbeit einer Arbeits- und Autorengruppe unter der Leitung der Teltower Historikerin Dr. Gabriele Bergner. Fast in keiner anderen Stadt oder Gemeinde in Brandenburg wurde bisher die NS-Zeit so fundiert erforscht und aufgearbeitet. Die Entstehung des Buches basiert vor allem auf der Frage, ob es stimmt, was sich im kollektiven Gedächtnis Teltows einprägte, nämlich dass die Stadt schon immer rot gewesen und der Nationalsozialismus von außen über die Bevölkerung gekommen sei. Bereits in den 1980er-Jahren stellte der aus Teltow stammende Heimatforscher Horst Stürzebecher fest, dass die Unterlassung der intensiven Aufarbeitung der NS-Zeit in der Stadtchronik eine gravierende Lücke darstelle. Wenn auch nicht in Form einer Chronik, so erfolgte doch vier Jahrzehnte später die oben genannte wissenschaftlich fundierte Darstellung und knüpft an diese Mahnung an. Zuvor waren nur vereinzelt Artikel zum Nationalsozialismus in Teltow im Teltower Stadt-Blatt und anderen Zeitungen und Zeitschriften erschienen. Die Recherchen sollen deutlich machen, dass der Nationalsozialismus nicht von außen über die Stadt kam. Dort hatte die NSDAP bereits vor 1933 Anhänger, die sich nach der Machtergreifung Hitlers vermehrten. Ein Großteil der Bevölkerung war von dem neuen Regime begeistert und war ihm treu ergeben.

Voraus gingen dem Buch die Forschungen der vom Teltower Stadtverordneten Rolf-Dieter Bornschein 2008 ins Leben gerufenen und von Dr. Gabriele Bergner geleiteten AG Stolpersteine. Diese erkundete das Schicksal von jüdischen Mitbürgern, die von den Nationalsozialisten entrechtet, verfolgt und ermordet worden waren. 20 erstellte Biografien, die im Januar 2011 in der Ausstellung Sie waren unsere Nachbarn – Jüdisches Leben in Teltow bis 1945 gezeigt wurden, bewiesen, dass der Antisemitismus in Teltow nicht harmloser als anderenorts gewesen war. Schließlich wurden am 7. Oktober 2011 vom Kölner Künstler Gunter Demnig die ersten 16 Stolpersteine verlegt. Heute existieren mittlerweile 42 Stolpersteine, die neben Juden auch an politisch Verfolgte, Homosexuelle und Euthanasieopfer erinnern. Sie stehen dafür, dass sich das Geschichtsbewusstsein der Menschen wandelte. Im Jahre 2015 setzte die Stadtverordnetenversammlung anlässlich des 750. Geburtstages von Teltow ein wichtiges Zeichen, indem sie den Nazigrößen Joseph Goebbels und Wilhelm Kube die Ehrenbürgerwürde aberkannte. Seit 2022 zeigt auch das Museum des Teltower Heimatvereins einen Abschnitt zu diesem Kapitel der Stadtgeschichte. Die Stadt unterstützte das Buchprojekt, weil es ihr wichtig war, sich der Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels, welches lange ein Tabuthema, zu stellen.

Die erarbeitete Wissensgrundlage regte das Rechercheteam dazu an, ein umfangreicheres Bild von der NS-Zeit in Teltow zu erstellen. Im Herbst 2020 entstand aus der AG die Geschichtswerkstatt Teltow, die vier Jahre später als gemeinnütziger Verein zur Erforschung der Teltower Zeitgeschichte eingetragen wurde.

Als Forschungsgrundlage des Buchprojektes dienten vor Ort Bauakten, Personenstandsunterlagen und die Stadtverordnetenprotokolle. Als Quellenfundus waren das Teltower Kreisblatt und der Teltower Kreiskalender sehr hilfreich. Weitere Forschungsstätten für die Arbeit waren der Teltower Heimatverein, das Bundesarchiv, das Brandenburgische Landeshauptarchiv und der Internationale Suchdienst in Bad Arolsen.

Das Buch skizziert zuerst das von Sozialdemokraten und Kommunisten geprägte Teltow vor 1933, im Anschluss wird der Aufstieg der NSDAP beschrieben. Ein weiteres Kapitel widmet sich dem Jahr 1933, in dem die neuen Machthaber ihre politischen Gegner verhafteten, in Gefängnissen und Konzentrationslagern inhaftierten und die Ausgrenzung und Verfolgung der Juden begann. Einer exakten Betrachtung werden die Aufgaben und Beschlüsse der neu gebildeten Stadtverordnetenversammlung und deren Mitglieder unterzogen. Ein anderes Kapitel befasst sich mit der Teltower Stadtverwaltung und ihre Ämter. Die zahlreichen städtebaulichen und wohnungspolitischen Veränderungen Teltows in der NS-Zeit werden ebenfalls detailliert beschrieben. Mit eingeschlossen sind hier die vermutlich kaum bekannten Planungen für Teltow im Zuge der Umgestaltung Berlins zur neuen Hauptstadt Germania. Nationalsozialistische Organisationen wie die NS-Frauenschaft oder die Volkswohlfahrt mit ihren Aufgaben und handelnden Personen geben einen Eindruck davon, wie die nationalsozialistische Ideologie auch in Teltow fast alle Bereiche des Alltags durchdrang. Ein weiteres, großes Kapitel beleuchtet die Terrororgane SA und SS, die die NS-Diktatur mit Gewalt durchsetzen und die Gegner des Regimes bekämpften. Besonders breiten Raum widmet das Buch den jüdischen, politischen, behinderten und homosexuellen Opfern des Nationalsozialismus in Teltow. Zuletzt wird im Buch auf das Kriegsende und dessen Folgen eingegangen.

Endlich liegt 80 Jahre nach Kriegsende für eine breite Leserschaft ein umfassendes Werk über die NS-Zeit in Teltow vor. Es soll daran erinnern, dass wir alle unsere demokratische Staats- und Gesellschaftsordnung immer wieder gegen rechtsextreme Kräfte verteidigen müssen. Als Pionierarbeit soll es andere Gemeinden in Brandenburg und überhaupt in Deutschland ermKrutigen, vergleichbare Monografien zur Zeit des Nationalsozialismus zu erstellen.

Das Buch „Bereitwillig mitgemacht“? – Teltow im Nationalsozialismus 1933-1945 von Dr. Gabriele Bergner (Hrsg.) ist im BeBra-Verlag erschienen, umfasst 384 Seiten mit ca. 150 Abbildungen und ist in den Buchhandlungen für 36 Euro erhältlich.

Text: Jens Leder / Bilder: BeVra-Verlag