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Für immer verbunden in Schwarz und Weiß

Es gab eine Zeit, in der Autos unverwechselbar waren, ein Gesicht und einen Charakter hatten. Als die Technik einfach und robust war und die meisten Straßen noch Kopfsteinpflaster hatten. Als ein Fotofilm 2,15 Mark kostete und es ihn sogar als vorgestanzte Meterware in der Drogerie gab. Als in den Kinderzimmern aus Stabil-Baukästen Flugzeugmodelle und Raumschiffe entstanden. Das war die Zeit von Manfred Zeimer und seinem Freund Manfred Thomas. Die 60er Jahre in Kleinmachnow.

In einer Gegenwart, in der Freundschaft fast ausschließlich mit virtuellen Beziehungen in sozialen Netzwerken assoziiert wird, zeigen Manfred Zeimer und Manfred Thomas gemeinsam eine Sammlung von Schwarz-Weiß-Fotografien, die sich über die moosgrüne Wand von Lisas Café in Kleinmachnow erstrecken. Draußen regnet es in Strömen und die Passanten, die am Fenster vorbeilaufen, ziehen fröstelnd den Kopf ein. Drinnen ist es warm, und es duftet nach spanischem Orangen-Mandel-Kuchen, der weit über die Grenzen Kleinmachnows hinaus bekannt ist. „Wir bedanken uns bei allen, die gekommen sind, und wollen sie mitnehmen auf eine kleine Zeitreise, die Ihre eigenen Gedanken und Erinnerungen anregen soll“, sagt Manfred Zeimer zur Eröffnung der Ausstellung. In seinen Händen hält er eine alte Kamera, mit der die meisten Menschen heute nicht mehr viel anfangen können. Doch für Manfred und Manfred ist es die Technik, die sie verbindet, eine Erinnerung an die Zeit, als auf den Straßen von Kleinmachnow K-Wagen-Rennen gefahren wurden. Neben ihnen stehen die Fahrer, die vor 55 Jahren beim letzten Rennen mit ihren selbstgebauten Fahrzeugen durch die Straßen kurvten. „Wir waren damals ziemlich schnell. Über 70 Kilometer pro Stunde“, erinnert sich einer der ehemaligen Fahrer. „Und wir mussten ganz genau aufpassen, dass wir euch mit unserer EXA 1a erwischen“, sagt Manfred Thomas. Mit dieser einfachen Kamera, ausgestattet mit einem Lichtschacht, aber ohne Innenlichtmessung, entstanden die Fotos, die noch bis Ende Mai in Lasa’s Café zu sehen sind.

Großes Zuschauerinteresse fanden die K-Wagen-Rennen in Kleinmachnow, wie hier Hohe Kiefer/Ecke Fuchsbau im Jahre 1969. Besonders angefeuert wurden die Rennfahrer vom Max-Reimann-Werk.

Den Augenblick festhalten, die Zeit anhalten – das hat Manfred Zeimer und Manfred Thomas schon früh fasziniert. Als 16-Jähriger durfte Manfred Zeimer in den Ferien im DEFA-Dokumentarfilmstudio in der Beleuchtungsabteilung arbeiten. Dort lernte er ganz praktisch den Umgang mit Licht und Schatten. Nun musste eine eigene Kamera her. Das Geld dafür verdienten sich die beiden Freunde aus Kleinmachnow, die zeitgleich eingeschult wurden, mit verschiedenen Ferienjobs. „Eines Tages fragte mich mein Schwager, ob ich der bekannten Schauspielerin Agnes Kraus, die bei uns im Birkenschlag wohnte und heute noch als ‚Schwester Agnes‘ im Fernsehen zu sehen ist, bei Arbeiten an ihrem Haus helfen wolle. Ich sagte sofort zu und arbeitete einige Nachmittage auf einer sehr langen Leiter an ihrem Haus. Weil sie mit dem Ergebnis zufrieden war, gab sie mir nicht nur den vereinbarten Betrag, mit dem ich Filme kaufen konnte, sondern auch eine Autogrammkarte, die ich bis heute in Ehren halte“, erinnert sich Manfred Zeimer. Jeden Pfennig, den die beiden verdienten, investierten sie in Fotomaterial. Neben der EXA 1a kauften sie ein einfaches Vergrößerungsgerät, eine Entwicklerdose, Fotoschalen, eine Fotolampe mit dunkelroter Glühbirne, eine kleine Trockenpresse und große Flaschen für Entwickler- und Fixierlösung. So wurde die Garage zum Fotolabor, und die beiden Autodidakten konnten sich dem Fotografieren der K-Rennen in Kleinmachnow widmen.

„Wir waren damals ziemlich schnell. Über 70 Kilometer pro Stunde!“

Die ersten K-Wagen fuhren in der DDR 1961 auf der Leipziger Messe. Schnell verbreitete sich der neue Sport im ganzen Land, wobei die Rennfahrzeuge damals von Motorsportclubs (MC) gebaut wurden. Materielle und finanzielle Unterstützung erhielten sie von volkseigenen Betrieben, LPGs und sogar von der NVA. Die verwendete Technik basierte auf Simson- und MZ-Motoren sowie 8-Zoll-Reifen des Herstellers Heidenau.

1963 gab es die ersten K-Wagen-Aktivitäten im GRW Teltow. Im Mai 1964 wurde der MC im VEB „Max Reimann“ Kleinmachnow mit damals knapp 30 Mitgliedern gegründet. Bereits im Herbst des gleichen Jahres wurde der erste selbstgebaute Rennwagen in Ludwigsfelde eingesetzt und belegte den 5. Platz. Das erste K-Wagen-Rennen in Kleinmachnow fand am 3. Mai 1964 statt. Bis 1969 gab es mindestens zwölf weitere, oft auch mit internationaler Beteiligung. Namen wie Hans-Heinrich Gall, Günter Büttner (BS Babelsberg), Manfred Reiche, Werner Febrow, Wolfgang Trojahn, Volker Reinke (DDR-Meister 1985, 1986 und 1987) oder Jürgen Koch waren dem Publikum gut bekannt. Start und Ziel befanden sich in der Hohen Kiefer vor dem Sowjetischen Ehrenmal (ehemals Stalin-, dann Leninallee). Die Strecke führte über 1.100 Meter: Am Fuchsbau, Kleine Eichen, Am Bannwald, Karl-Marx-Straße, OdF-Platz bis zur Nordspitze, Hohe Kiefer. Eingebaute Hindernisse verlängerten die Strecke um 100 Meter. Das Fahrerlager wurde an der Tankstelle von Hans Gericke eingerichtet. In den sozialistischen Ländern wie Polen, CSSR, Rumänien, Bulgarien und der UdSSR waren die Rennfahrer häufig zu Gast. Zu diesem Zweck wurde in Kleinmachnow ein ausrangierter Ikarus-Bus umgebaut, der 18 Sitzplätze bot und Platz für sechs Rennwagen hatte. Später wurden ein H3A-Motor mit Getriebe, ein größerer Tank und eine kleine Werkstattausrüstung im Heck eingebaut. Die K-Wagen-Rennen in Kleinmachnow wurden 1969 aus verschiedenen Gründen wie Sicherheit und Belästigung eingestellt.


Die ehemaligen Rennfahrer Siegmar Böhm, Hans Heinrich Gall , Fotograf Manfred Zeimer, Heike Koch (Tochter von Rennfahrer Jürgen Koch), Team_Manager Knud Krüger (v.links)

Manfred Thomas und Manfred Zeimer waren immer an der Strecke. „Ganz kurze Verschlusszeiten, die in der Sportfotografie für scharfe Bilder entscheidend sind, gab es damals noch nicht. 1/175 war wohl die kürzeste Belichtungszeit. Hinzu kam, dass das Fotomaterial NP 15 oder NP 20 nicht sehr lichtempfindlich war. Deshalb mussten vorbeiziehende Objekte ‚nachgezogen‘ werden, um sie scharf zu bekommen. Die Umgebung dieser sich schnell bewegenden Objekte war dann unscharf. Man musste sich beim Fotografieren blitzschnell entscheiden“, sagt Manfred Zeimer. „Und in der Garage ging es dann ans Entwickeln. Unvergessen ist, wie wir die Filme am Wasserhahn im Erdbeerbeet gewässert haben“, lacht Manfred Thomas.

Ihre Fotos haben sie der Kleinmachnower Museumsinitiative übergeben. Sie werden künftigen Generationen vom letzten K-Wagen-Rennen in Kleinmachnow und von einer Freundschaft erzählen, die die Zeit überdauert hat.

Fotos: Manfred Thomas, Manfred Zeimer und Redaktion