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Ein Stahnsdorfer Original – Dr. Hans-Joachim Koch

Seit 2014 wird die Stahnsdorfer Ehrennadel verliehen – an Personen, die sich durch ­ehrenamtliche Tätigkeit um die Gemeinde verdient gemacht haben. Im Jahr 2024wurde die Ehrung Dr. Hans-Joachim Koch zuteil, auf Antrag des Stahnsdorfer ­Heimatvereins, dessen aktives Mitglied er seit einigen Jahren ist. Doch nicht nur in diesem ­Bereich hat sich der Geehrte Verdienste erworben, er war beruflich wie unternehmerisch sehr erfolgreich. So kann er auf einen interessanten und abwechslungsreichen Lebensweg zurückblicken, und nicht zuletzt erklärt sein Werdegang, ­weshalb er auch für die historische Aufarbeitung von Stahnsdorfs Vergangenheit die optimalen Voraussetzungen mitbringt.

„Dr. Koch ist ein Stahnsdorfer Original“ – so drückte es Bürgermeister Albers während der Festveranstaltung aus. Und tatsächlich ist er nicht nur in Stahnsdorf geboren, sondern nach dem Studium auch wieder hierhin zurückgekehrt. Unzählige Reisende verdanken ihm seit mehr als 30 Jahren unvergessliche Eindrücke und Erlebnisse – aber auch viele Migranten wären ohne seine tatkräftige Hilfe an der deutschen Bürokratie verzweifelt. Doch von vorn: Vor 75 Jahren wurde Dr. Koch in Stahnsdorf geboren und besuchte hier die Dorfschule (die jetzige Lindenhof-Grundschule). Ein Lehrer war ganz besonders prägend für seinen späteren Lebensweg: Heinz Natalis – wie man hört, wurde er von allen Ehemaligen als pädagogisches Naturtalent geschätzt. Dieser Lehrer (ein beruflicher „Quereinsteiger“, würde man heute sagen) hat den jungen Hans-Joachim offenbar so für das Fach Geschichte begeistert, dass er später – ein Jahr vor dem Abitur am Kleinmachnower Weinberg-Gymnasium (damals EOS) – beschloss, Historiker zu werden. Und tatsächlich wurde ihm gestattet, das Fach an der Leipziger Universität zu studieren. Seine Tätigkeit als FDJ-Sekretär und als SED-Mitglied waren dabei sicher hilfreich. In seiner Seminargruppe gab es, wie er berichtet, 25 Studenten, davon fünf Ausländer, zu denen er auch privat Kontakt pflegte.

Gebannt lauschen die Reisenden den Ausführungen von Dr. Koch. Foto: Ursula Grunwaldt

Kommilitonen aus Frankreich und Japan (beide Gewerkschaftsdelegierte) vermittelten ihm früh eine internationale Perspektive, die er viel später als Reiseleiter gut in die Praxis umsetzen konnte. Das Studium beinhaltete damals übrigens auch Psychologie und Erwachsenenpädagogik, denn schließlich sollte die Geschichte aus Sicht der Partei auch weitervermittelt werden. Zum Glück für Dr. Koch: Da er beim Studienabschluss mit 22 Jahren noch zu jung für eine Aspirantur bei der Akademie für Gesellschaftswissenschaften war und weder bereits fünf Jahre Parteimitglied noch drei Jahre Parteifunktionär gewesen war, konnte er erst einmal als Lehrer an der Bezirksparteischule Kleinmachnow arbeiten. Danach durfte er als Doktorand an die Akademie wechseln. 1979 promovierte er („Dissertation A“), die damalige „Dissertation B“ folgte 1986. Mit dieser Voraussetzung konnte er als Dozent unterrichten – als jüngster seines Faches. Er blieb bis 1983, dann zog es ihn in die Heimat zurück, wo die Bezirksparteischule mittlerweile in Potsdam angesiedelt war. Als Lehrstuhlleiter Geschichte, später als stellvertretender Schulleiter, war er für die Unterrichtsinhalte zuständig. So war er auch näher an der Familie – seit 1981 ist er mit einer Lehrerin verheiratet, gemeinsam haben sie zwei Kinder. Mit der Wende war dann aber relativ abrupt Schluss mit der beruflichen Tätigkeit, die Schule wurde geschlossen. Was nun? Dr. Koch war schon immer ein Mann der Tat, daher dauerte es nicht lange, bis er etwas Neues anpackte. Bereits früher war die Reiseleitung sein Hobby gewesen, so hatte er schon für Jugendtourist Gruppen in die Sowjetunion oder nach Vietnam begleitet und unterwegs ­gedolmetscht. Gesagt, getan: 1990 wurde das Gewerbe angemeldet, bald darauf eröffnete ­„Potsdam Tours“ als Reiseveranstalter und Reisebüro.

Dr. Koch beim Heimatverein Stahnsdorf. Foto: Mario Kacner

Seit mittlerweile mehr als 35 Jahren organisiert er nun Busreisen nach nah und fern, die er selbst als Reiseleiter begleitet und die Gruppen unterwegs mit kulturellen und historischen Ausführungen unterhält. Teilweise unterstützten ihn auch seine Frau (mittlerweile im Ruhestand) und seine Töchter, die Tourismus-Betriebswirtschaft studiert haben. In jüngster Zeit wurde die unternehmerische Tätigkeit etwas zurückgefahren, aber Dr. Koch organisiert nach wie vor Fahrten für die zahleichen Stammkunden.

So bleibt mehr Zeit, die er dem Heimatverein widmen kann – Ursula Grunwaldt, stellvertretende Vorsitzende: „Wenn wir Dr. Koch nicht hätten und seine Ideen, Vorträge und Bücher, dann wären wir nicht so bekannt. Wir haben ihm viel zu verdanken!“, aber er findet auch noch genug Zeit für weitere Aktivitäten. Zwei Bücher hat er bisher im Auftrag von „Kulturland Brandenburg“ verfasst: „Die Sowjetarmee und die Deutschen 1945 – 1994“ und „Im Wäldchen am Ruhlsdorfer Weg“. Für das erste Buch hat er sogar das CIA-Archiv durchforstet und herausgefunden, dass in Stahnsdorf (damals gleich viel Einwohner wie Truppenangehörige!) filmreife Spionageaktionen stattfanden und es enge Kontakte zwischen Stahnsdorfern und Soldaten gab. Für das zweite Buch erforschte er die wechselvolle Geschichte des heutigen Green Parks – von einer Nazi-Funkanlage über die Fabrik eines windigen Geschäftsmanns bis zum heutigen Gewerbegebiet. Hoch spannend für Einheimische wie für die zahlreichen Hinzugezogenen! Für Dr. Koch stellt die Regionalgeschichte einen besonderen Reiz dar, weil der Kontakt zu Zeitzeugen und deren verschiedene Perspektiven und Meinungen eine objektivere und authentischere Darstellung erlauben, als es früher möglich gewesen wäre. Von Zeit zu Zeit kann man Dr. Koch auch live erleben, wenn er seine historischen Entdeckungen vor Ort im Rahmen von Lesungen oder bei Vorträgen (u. a. in der Akademie Zweite Lebenshälfte) erläutert. Doch das ist längst nicht alles: Der Historiker ist auch ein Familienmensch aus ganzer Seele und nimmt sich viel Zeit für seine sechs Enkel, mit denen er gerne wandert. Trotzdem findet er noch genug Gelegenheit für sein politisches Engagement (er ist Mitglied im Kreisvorstand der Linken) und kümmert sich gemeinsam mit seiner Frau um Migranten, indem er sie unter anderem bei Behördengängen unterstützt.

Die Stahnsdorfer Ehrennadel 2024 erhielt Dr. Koch auf Antrag des Heimatvereins, der sein umtriebiges und vielseitiges Engagement gewürdigt sehen wollte. Damit ist er bereits der 22. Träger dieser Auszeichnung, die die Gemeinde an Personen, die sich durch ehrenamtliche Tätigkeit verdient gemacht haben, verleiht. Dass sich jemand nach einem so wechselvollen wie erfolgreichen Berufsleben nicht einfach zurücklehnt und ausruht, sondern tatkräftig in der Gemeinde mit anpackt, ist nicht selbstverständlich – die Ehrennadel hat sich Dr. Koch daher ­wirklich verdient.

Fotos: Gemeinde Stahnsdorf, Ursula Grunwaldt, Mario Kacner