
Abiball heute – Zwischen Bildungsabschlus sund Eventdruck
Das Abitur markiert für viele junge Menschen einen der bedeutendsten Wendepunkte im Leben. Es steht nicht nur für das erfolgreiche Ende der Schulzeit, sondern symbolisiert auch den Eintritt in das Erwachsenenleben, in die Freiheit und in eine neue Lebensphase. Doch während der schulische Teil des Abiturs immer anspruchsvoller zu werden scheint, entwickelt sich auch der feierliche Abschluss, insbesondere der Abiball, zunehmend zu einem kostspieligen Großereignis. Die Frage stellt sich: Wie teuer ist das Abitur heute wirklich – jenseits von Lernstress und Prüfungsangst?
Was früher eine vergleichsweise einfache Abschlussfeier war, meist in der Turnhalle oder einem Gemeindezentrum, hat sich heute vielerorts in eine glamouröse Abendveranstaltung verwandelt. Der Abiball ist inzwischen für viele Abiturienten und ihre Familien ein gesellschaftlicher Höhepunkt, der mit hochzeitsähnlichem Aufwand geplant wird. Die Location ist oft ein ansprechendes Hotel oder ein großer Saal, das Catering professionell, der Ablauf durchgeplant, mit Musik, Reden, Showeinlagen und teilweise sogar professionellen Fotografen.
Auch in der Region rund um Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf sind solche aufwendig gestalteten Feiern längst zum Standard geworden. Viele Abschlussjahrgänge organisieren ihren Ball inzwischen in Berlin oder Potsdam – mit entsprechenden Kosten für Saalmiete, Technik und Dienstleister.
Tim Melzer, ein Schüler des Vicco-von-Bülow-Gymnasiums in Stahnsdorf, berichtet etwa, dass sein Abiball im Estrel Hotel Berlin stattfindet, eine der größten Veranstaltungslocations Deutschlands. Der Eintritt kostet dort pro erwachsener Person 105 Euro und für Kinder von 7 bis 12 Jahren 55 Euro. Wer zur Aftershow-Party möchte, zahlt zusätzlich 10 Euro pro Person.
Im Vergleich dazu liegen die Preise an anderen Schulen teils deutlich anders. So kostet der reguläre Eintritt zum Abiball am Helmholtz-Gymnasium in Potsdam nur 72,50 Euro pro Person, sagt Sebastian Backhaus, welcher dort sein Abitur ablegt – allerdings kostet dort die Aftershow-Party satte 35 Euro pro Gast. Gefeiert wird im Kongresshotel Berlin am Templiner See, ebenfalls eine prominente Adresse.

Der Eintritt zu solchen Veranstaltungen liegt also im Schnitt zwischen 70 und über 100 Euro pro Person. Für eine Familie mit mehreren Gästen bedeutet das: Allein der Besuch des Abiballs kann schnell mehrere Hundert Euro kosten – ohne Essen und Getränke, sofern diese nicht inklusive sind.
Kleidung, Extras und Merchandise
Doch damit ist es längst nicht getan. Die Kleidung für diesen besonderen Abend schlägt ebenfalls zu Buche. Viele möchten sich an diesem Abend besonders in Szene setzen – verständlich, denn es ist ein einmaliger Moment. Edgar Enning und Fabien Schreiber vom Kant-Gymnasium in Teltow berichten, dass sie ihre Garderobe in renommierten Berliner Kaufhäusern wie dem KaDeWe, bei Peek & Cloppenburg oder Anson’s gekauft haben – mit dem Wunsch, etwas Hochwertiges und Besonderes zu tragen. Ballkleider kosten dabei nicht selten 150 bis 400 Euro, auch Anzüge samt Hemd, Krawatte und passenden Schuhen bewegen sich in diesem Preissegment. Wer zusätzlich Friseurtermine, Make-up, Nägel oder gar ein Fotoshooting einplant, kommt leicht auf weitere 100 bis 200 Euro. Für viele ist dieser Aufwand Teil des besonderen Moments, für andere aber wird es schnell zur finanziellen Belastung.

Die Planung solcher Abibälle übernehmen in der Regel engagierte Komitees aus dem Jahrgang. Sie kümmern sich um Budget, Buchungen, Technik, Musik, Dekoration und Programm. Um die Kosten zu decken, richten viele Klassen sogenannte Abikassen ein, in die monatelang eingezahlt wird. Zusätzlich versuchen viele Jahrgänge über Kuchenverkäufe, Abipartys oder Sponsoren Gelder einzunehmen. Dennoch bleibt häufig ein Eigen-anteil zwischen 200 und 500 Euro pro Schüler – je nach Region und Anspruch. Gerade im wohlhabenderen Berliner Umland, zu dem auch Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf gehören, scheint der Erwartungsdruck besonders hoch. Die gesellschaftlichen Ansprüche an Ausstattung und Auftritt können hier schnell zum stillen Belastungsfaktor für Familien mit begrenztem Budget werden.
Ein weiterer Trend ist die zunehmende „Vermarktung“ des eigenen Jahrgangs. Abimotto, T-Shirts, Pullover, Sticker, Tassen und Plakate gehören mittlerweile fast selbstverständlich dazu. Außerdem kommen Mottowochen, kreative Videos, Fotowände, Abizeitungen oder Jahrbücher zum Einsatz. Vieles davon ist freiwillig, doch durch Gruppendruck fühlt es sich für viele wie eine Verpflichtung an. Wer kein Abishirt trägt oder nicht im Mottobuch vertreten ist, steht schnell außen vor.
Der Blick aufs Wesentliche
Dabei sollte das Abitur in erster Linie ein Grund zur Freude sein, nicht ein Wettbewerb um Styling, Geld und Status. Der Fokus sollte stärker auf dem gemeinsamen Erfolg liegen: dem bestandenen Abschluss, dem Ende eines wichtigen Lebensabschnitts und der Gemeinschaft, die über Jahre gewachsen ist. Erinnerungen lassen sich auch ohne viel Geld schaffen – durch persönliche Gesten, echte Freundschaften und gemeinsame Erlebnisse, die nicht vom Preisschild abhängen.
Denn am Ende zählt nicht das Kleid, nicht die Location und nicht der Fotograf – sondern die Menschen, die diesen Weg gemeinsam gegangen sind.
Auch hier summieren sich die Ausgaben: Tim Melzer berichtet, dass das Abibuch seines Jahrgangs 24,50 Euro kostet, der Abihoodie liegt bei 40,99 Euro. Addiert mit weiteren Erinnerungsstücken oder Mottoshirts kommen viele Schülerinnen und Schüler auch hier auf Beträge zwischen 50 und 150 Euro zusätzlich.
Nicht alle können mitziehen
Bei all dem Aufwand stellt sich eine zentrale Frage: Ist der Abiball in seiner heutigen Form noch für alle gleichermaßen zugänglich? Die Realität zeigt, dass es nicht selten zu sozialen Spannungen kommt. Während manche Familien die Ausgaben relativ problemlos tragen können, geraten andere an ihre Grenzen. Nicht jeder kann sich ein Kleid für 300 Euro oder den Familienabend im Hotel leisten. Einige verzichten sogar auf die Teilnahme am Abiball, aus finanziellen Gründen.

Auch an Schulen in unserer Region, wie etwa dem Immanuel-Kant-Gymnasium in Teltow, dem Weinberg-Gymnasium in Kleinmachnow oder dem Vicco-von-Bülow-Gymnasium in Stahnsdorf –, berichten Schülerinnen und Schüler von sozialen Unterschieden, die sich bei den Abschlussvorbereitungen deutlich zeigen. Während einige Mitschülerinnen und Mitschüler problemlos alle Aktivitäten mitmachen, stehen andere unter dem Druck, mitzuhalten – oder verzichten leise.
Zwar bemühen sich viele Abikomitees, durch gestaffelte Preise, Sozialtickets oder Spendenlösungen niemanden auszuschließen, doch diese Maßnahmen funktionieren nicht immer und sind nicht überall selbstverständlich.
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