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„Ich verkündekeine Wahrheiten,ich gebe Anstöße“

Dr. Dirk Palm (54) ist im Hauptberuf Verleger des in Berlin-Lichterfelde ansässigen BeBra Verlags. In den vergangenen Jahren hat er in seiner Freizeit ­Theologie studiert und ein Vikariat absolviert. Am 25. Mai um 11:00 Uhr wird er als Pfarrer im Ehrenamt in der ­Evangelischen Kirchengemeinde Kleinmachnow eingeführt.

Warum haben Sie sich als Verleger entschieden, Pfarrer zu werden?

Dirk Palm: Seit 2015 habe ich Gottesdienste als Prädikant gehalten, also als nicht ordinierter Laienprediger. Aber dann habe ich einen Punkt in meinem Leben erreicht, an dem ich mehr wissen wollte. Und anderen mehr sagen wollte. Ich glaube, dass wir alle mit einem Sinn durchs Leben gehen. Dieser Sinn muss nicht vom ersten Tag an sichtbar sein. Er kann jederzeit im Leben vor uns stehen, und dann ist es wichtig, sich dem zu stellen. Das habe ich getan. 2020, kurz vor Corona, habe ich mit dem Theologiestudium begonnen. Meinen Beruf konnte ich natürlich nicht gegen das Studentenleben eintauschen, und so entschied ich mich für ein Graduiertenstudium der Evangelischen Theologie an der Universität Greifswald. Es war ein sehr anspruchsvolles Studium, das mir aber auch viel gegeben hat. Nach dem Examen 2023 wurde ich Vikar in Steglitz-Zehlendorf. Von Anfang an war klar, dass ich nicht hauptberuflich als Pfarrer arbeiten will – dazu mag ich meinen Beruf als Verleger zu sehr. Und das Ehrenamt gibt mir ja auch eine gewisse Unabhängigkeit. Als Vikar gehörte es zu meinen Aufgaben, einige Stunden im Konfirmandenunterricht zu gestalten, Trauer- und Traugespräche zu führen und in einem Krankenhaus mit Patienten zu sprechen. Nach Abschluss des Vikariats und einem kirchlichen Examen werde ich nun ordiniert, also von der Kirchenleitung unserer Evangelischen Landeskirche in das Amt des Pfarrers berufen. In der Evangelischen Kirchengemeinde Kleinmachnow werde ich eng mit der Gemeinde und den beiden hauptamtlichen Kleinmachnower Pfarrern zusammenarbeiten.

Welches ist Ihr Anliegen als ehrenamtlicher Pfarrer?

Ich möchte besonders Menschen mit der christlichen Botschaft ansprechen, die sonst von der Kirche nicht oder nur selten erreicht werden. Ich habe einen Lebensweg als Unternehmer, ich bin verheiratet und Vater von vier Kindern. Ich hoffe, dass ich meine Erfahrungen in der Wirtschaft und in meinem privaten Umfeld in meine Arbeit als Pfarrer im Ehrenamt einbringen kann. Ich glaube, dass Gott mit jedem Menschen ein großes Werk vorhat, auch mit denen, die mit der Kirche sonst wenig anfangen können. Darüber will ich mit Menschen sprechen – und das nicht nur in Gottesdiensten. Und ich will mich mit Menschen darüber austauschen, was ihre eigenen Fragen und Anliegen sind.

Wie und wo genau wollen Sie diese Menschen erreichen?

Das wird sich noch zeigen. Jedenfalls soll sich bei mir als Pfarrer niemand ausgegrenzt oder nicht willkommen fühlen. Beginnen möchte ich mit einem Podcast, in dem ich jeden Tag über einen Vers der Bibel eine Minute lang spreche und darüber, was er heute für uns bedeuten könnte. Ein Gedanke für den Tag. Viele Menschen sind heute sehr beschäftigt, ja gehetzt. Aber eine Minute hat jeder, ob beim Zähneputzen oder beim Kaffeekochen. Vielleicht regt das ja ein paar Menschen an, sich über ihr Leben Gedanken zu machen und sich zu fragen, welchen Sinn es haben könnte. Die erste Folge des Podcasts soll am 25. Mai, dem Tag meines Einführungsgottesdienstes in Kleinmachnow, online gehen.

Was wird Ihren Podcast von der Sonntagspredigt in der Kirche unterscheiden?

Erst mal ist der Podcast viel kürzer als eine Predigt! Und außerdem sprechen wir manchmal in der Kirche so, dass Menschen, die sonst nicht in den Gottesdienst kommen, das nicht verstehen. Viele Texte, Lieder, Gebete und Bekenntnisse entspringen jahrhundertealten Traditionen der Kirche, die zwar gut, richtig und sinnvoll sein mögen, sich aber vielen heute nicht mehr erschließen. Im Podcast wie in allen meinen sonstigen Äußerungen als Pfarrer ist mir wichtig, dass Leute das, was ich sage, wirklich verstehen. Bei allem, was uns in unserem Leben begegnet, könnten wir uns doch fragen: „Was würde Jesus zu diesem Thema sagen?“ Zum Beispiel zum Krieg in der Ukraine oder zum Materialismus in unserer Gesellschaft oder zu der damit einhergehenden Ungleichheit. Oder dazu, was ich meiner Familie eigentlich schuldig bin und was nicht. Ich weiß natürlich keine Antwort darauf, was Jesus zu alledem sagen würde. Ich kann aber Fragen stellen und mit denen, die auch auf der Suche sind, darüber nachdenken, welche Anregungen uns die Bibel gibt, selbst auf die für uns richtige Antwort zu kommen.

Wie werden Sie den Gottesdienst zur Einführung gestalten?

Der 25. Mai ist nach kirchlicher Ordnung der Sonntag Rogate, das bedeutet „Beten“. Ich hoffe, dass die Menschen in der Region neugierig sind zu hören, was die Bibel über das Beten zu sagen hat und was das heute für uns bedeuten könnte. In meiner Predigt wird es darum gehen, was uns das Beten eigentlich bringt. Viele Menschen meinen ja, man sollte weniger beten als vielmehr besonnen handeln! So viele Menschen beten für Frieden in der Ukraine, aber der Krieg geht trotzdem weiter. Beten wir also falsch? Ist Gott, den wir für allmächtig halten, überhaupt für den Frieden zuständig? Ich freue mich über jeden, der kommt.

In den letzten Jahrzehnten haben nicht wenige den Bezug zu Gott und auch zum Glauben verloren. Wie gehen Sie damit um?

Ich sehe darin eine große Chance. Die Mitgliedszahlen in den Kirchen gehen immer weiter zurück, und viele Menschen können heute mit Religion und Glauben nichts anfangen. Das hängt auch damit zusammen, dass vielen Menschen vom Christentum nicht so erzählt wurde, dass das von ihnen als irgendwie relevant empfunden wurde. Letztlich aber haben doch kirchlich gebundene Menschen und Menschen, die mit der Kirche nichts zu tun haben wollen oder denen die Kirche einfach egal ist, die gleichen Probleme und stellen sich die gleichen Fragen. Ich hoffe, Menschen zu erreichen, die schon lange nicht mehr oder auch noch nie in der Kirche waren, weil sie sich von nichts abgrenzen müssen und deshalb offener sind.

Was ist das wichtigste Thema unserer Zeit, über das Sie mit den Menschen sprechen wollen?

Ich glaube, dass sich jeder Mensch, ob er an Gott glaubt oder nicht, irgendwann einmal fragt: Wie soll ich leben, was ist mein Ziel? Wenn wir uns darauf einlassen, dass es eine Wirklichkeit gibt, die über unser Leben hinausgeht, dann gewinnen wir eine andere Perspektive. Vielleicht werden dann Geld, Macht und Schönheit nicht mehr so wichtig. Denn Gott liebt uns so, wie wir sind. Wir müssen gar nicht so sein wie irgendwelche Figuren auf Litfaßsäulen oder Social Media. Aber wie dann sein in einer Zeit, in der wir so viele Möglichkeiten zu haben scheinen? Wie hat Gott mich gemeint? Ich möchte den Anstoß geben, sich ernsthaft mit dieser Frage zu beschäftigen.

Foto: Redaktion