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Piraten ohne Wind in den Segeln

Redet man heute von „Piraten“, denkt man zuerst an irgendwelche Schurken auf den Weltmeeren oder an den Karneval. So mancher Jeck verkleidet sich dann als Pirat. An die Piraten-Partei denkt kaum noch jemand. Sie wollten einst alles anders machen und vieles verbessern. Ihr Motto lautete: „Klar zum Ändern.“ Doch das Schiff der Piraten hat keinen Wind mehr.

In Schweden hatten die politischen Piraten ihren Ursprung. Sensationell zogen sie in einige deutsche Landtage ein, so in Berlin 2011. Ihren größten Erfolg hatten sie 2012, als sie im einwohnergrößten Bundesland Deutschlands, in Nordrhein-Westfalen mit seinen knapp 17 Millionen Einwohnern, in den Düsseldorfer Landtag einzogen. 237 Landtagsabgeordnete zählt der Düsseldorfer Landtag. Die Piratenfraktion umfasst 20 Parlamentarier.

Das Schiff der Piraten hat jedoch keinen Wind mehr. Das Wort Windjammer hat für die Piraten seine Berechtigung, wenn es um das Jammern geht. Der große Piraten-Hype ist vorbei. Bei Umfragen in Nordrhein-Westfalen, wo in diesem Frühjahr ein neuer Landtag gewählt wird, erscheinen sie unter „andere Parteien.“ Ihre Umfragewerte sind so niederschmetternd, dass sie gar nicht mehr extra aufgeführt werden. Bei der letzten Europawahl schafften sie nur den Einzug ins Europaparlament, weil die 5-Prozenthürde bei diesen Wahlen nicht galt. Nebenbei bemerkt: Die NPD ist genauso stark beziehungsweise schwach wie die Piratenpartei. Die NPD stellt, wie die Piraten ebenfalls, auch einen Europaparlamentarier.

Bei der Landtagswahl 2014 in Brandenburg erzielten die Piraten 1,5 Prozent der Zweitstimmen. Die rechtsgerichtete NPD kam auf 2,2 Prozent. Schon in der letzten Legislaturperiode in Berlin zeigte sich schnell der Zerfall der 15-köpfigen Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Zu viele Individualisten waren am Werk und standen sich gegenseitig im Weg. Politische Erfahrung war auf diesem Schiffsdeck ein Fremdwort. Das Motto interfraktionell lautete von der Kapitänskajüte über die Kombüse bis hin in den Ausguckmast: Jeder gegen jeden – alle machen mit.

In den Berliner Bezirken sah es nicht anders aus. In der BVV Tempelhof-Schöneberg zogen die Piraten mit vier Vertreten ins Rathaus ein. Zuerst trat eine Piratin aus und ging zur CDU, kurz darauf verließ ein weiterer Pirat das Schiff. Da verloren die Tempelhofer-Schöneberger Piraten mit den zwei verbliebenen BVV-Mitgliedern mit Piraten-Parteibuch den Fraktionsstatus und waren fortan nur noch Gruppe. In der BVV Reinickendorf gab es einen Donnerknall aus allen Kanonenrohren bei den Piraten in der letzten Legislaturperiode. Die aus vier Kommunalpolitikern bestehende Reinickendorfer Fraktion löste sich an einem Tag komplett auf. Zwei Piraten heuerten auf einem Dampfer Namens SPD an, einer auf dem CDU-Dampfer. Einer heuerte auf einer kleinen Jolle an und befuhr das kommunalpolitische Reinickendorfer Seegebiet als fraktionsloser BVV-Vertreter. Das alles haben die Wähler nicht verstanden und natürlich fiel dementsprechend die Heuer der Piraten aus.

Nur ein Beispiel von vielen: Liefen die Piraten 2011 noch mit 14,3 Prozent in den BVV-Hafen Friedrichshain-Kreuzberg ein, waren es im September 2016 bei den Wahlen noch gerade einmal 4,8 Prozent. Aus einer einstigen Dreimastbarke wurde ein Paddelboot. Das Friedrichshainer-Kreuzberger Resultat der Piraten war für Berlin ein absoluter Spitzenwert. Es bedeutete, in der dortigen BVV sind die Piraten mit zwei „Freibeutern“ zumindest als Gruppe vertreten. In der BVV Mitte zogen auch zwei Piraten in die BVV ein. Das war es dann aber auch schon in ganz Berlin. Nicht in einem einzigen Bezirksparlament zog man mit Fraktionsstärke ein.

Wenn man folgende Rechnung aufmacht, sieht man, wie wenige Piratenschiffe man in Berlin noch sehen kann: 12 Berliner Bezirke mit je 55 Kommunalpolitiken ergeben zusammen 660 Bezirksverordnete. Davon hissen vier die Piratenflagge. Die gesamte Brise beträgt 0,6 Prozent. Der Klabautermann verkündet es garantiert so: „Die politischen Piraten sind untergegangen.“ Die vier Bezirksverordneten, die auf zwei BVV-Parlamente verteilt sind, müssen sich vorkommen wie Robinson Crusoe und Benn Gunn von der Schatzinsel: Einsam und verlassen. Das Piratenschiff liegt auf Riff und wird nicht wieder flottgemacht.

Den ehemaligen Piratenkapitän gibt es aber noch als aktiven Seeoffizier, sozusagen. Vom Piratenschiffkommandanten gewechselt zu einem Kreuzfahrtschiffoffizier, sozusagen. Bernd Schlömer war von April 2012 bis November 2013 Bundesvorsitzender der Piraten-Partei. Seit September 2016 ist er Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Bernd Schlömer ging bei der FDP vor Anker und ist dort Sprecher für Netzpolitik.  Diese Funktion hat nichts mit der Seefahrt zu tun, denn bei diesen Netzen handelt es sich keineswegs um die Netze der Fischer.

 

Text: VTN/Foto: Uwe Venter