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„Nicht alles lässt sich mit Rikschas bewältigen“: Oliver Friederici über den ÖPNV in Berlin

Oliver Friederici ist Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin. Axel Graf Bülow ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Freier Tankstellen und unabhängiger deutscher Mineralölhändler e.V. (bft) und Landesvorsitzender der FDP Brandenburg. Am 18.10. diskutierten sie zum Thema „Wie organisieren wir in Zukunft den Verkehr in den Städten? – am Beispiel Berlin“.

Veranstaltungsort war die Bundesgeschäftsstelle des Bundesverbandes der Dienstleistungswirtschaft (BDWi)  in der Friedrichstraße in Berlin-Mitte. Der Lankwitzer CDU-Politiker Friederici kritisierte scharf die Verkehrspolitik des Berliner Senats. „Der Senat setzt ausschließlich auf das Rad. Das wird so nicht funktionieren. Andere Weltstädte setzen auf alles, also Bus, Pkw, Straßenbahn neben dem Fahrrad.“ Axel Graf Bülow, der in Potsdam beheimatet ist und in Berlin arbeitet, lobte den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Berlin.

„Man muss neidvoll anerkennen, Berlin hat einen guten ÖPNV.“ So würden sich Besucher sehr schnell zurechtfinden. Es gibt für ihn in der Rush-Hour keinen Unterschied, ob er mit dem Auto oder mit dem ÖPNV von Potsdam nach Berlin fährt. „Man braucht immer rund eine Stunde.“ Schon außerhalb der Hauptverkehrszeiten „fängt das Dilemma bei Bahn und Bus und Straßenbahn an. Die Taktzeiten, besonders die von Regio und S-Bahn zu den Randzeiten, sind stark verbesserungswürdig.“ Noch schlimmer sieht es mit Taktzeiten und Verbindungen aus, wenn „man beispielsweise auf Senftenberg oder in die Prignitz blickt.“

Oliver Friederici betonte: „Nicht alles lässt sich mit Rikschas bewältigen. Im Übrigen kann Politik auch Bürgern nicht vorschreiben, wie sie von A nach B kommen sollen. Einer nimmt das Rad, ein anderer das Auto und wieder ein anderer geht zu Fuß.“ Der FDP-Landesvorsitzende Graf Bülow sprach auch die E-Autos an. „Da liegt noch viel Zukunftsmusik drin.“ Das gerade in Berlin so beliebte Modell Carsharing sorge auch für mehr Fahrzeuge auf den Straßen. Man müsse sein Augenmerk verstärkt auf „saubere Kraftstoffe lenken. Die synthetischen Kraftstoffe werden eine immer größere Rolle spielen.“

Zum Thema E-Autos sagte der Parlamentarier Friederici: „Die Infrastruktur ist noch nicht so weit. Man kommt so 300 bis 400 Kilometer weit. Eine Tour von Berlin Richtung Ostsee und zurück ist nicht machbar.“ Die Zahl der Ladestationen für E-Autos lässt stark zu wünschen übrig. „Wir müssten an jeder Laterne eine Ladesäule haben.“ Verkehrspolitik bedeutet für ihn auch, man muss noch lange mit Benzin arbeiten. „Der BVG-Bus kann nicht täglich fünfmal eine Ladestation anfahren.“

Auch Axel Graf Bülow zeigte sich skeptisch gegenüber einzelnen Forderungen, den Trolleybus zu fokussieren. „Der O-Bus mag ja in Eberswalde funktionieren. Das System lässt sich nicht auf Berlin übertragen.“ In ganz Deutschland gibt es neben Eberswalde noch O-Busse in Esslingen und Solingen. Das O-Busnetz in Eberswalde besteht aus gerade einmal zwei Buslinien mit einer Streckenlänge von unter 38 Kilometern. Der Liberale sprach auch an: „Die Menschheit verfügt über sehr viel ausreichende Ölvorkommen.“ Niemand muss sich Sorgen machen, dass „morgen, oder übermorgen oder in kürze der letzte Tropfen Öl gefördert sein wird und wir dann auf dem Trockenen stehen werden.“

Der direkt gewählte CDU-Politiker aus Lankwitz forderte den Ausbau der Stammbahn, der Heidekrautbahn, den Ausbau der U 7 zum Flughafen BER und er stellte die Frage auf: „Wann bekommt der Flughafen Tegel endlich seine eigene U-Bahn?“ Axel Graf Bülow wies auch darauf hin, in der Verkehrspolitik müssten sich Berlin und Brandenburg noch viel besser abstimmen.

Da zur Politik auch Ehrlichkeit gehört, erwähnte der FDP-Politiker: „Die bessere Abstimmung betrifft nicht nur die handelnden Personen in politischen Ämtern, sie betrifft auch die Parteien.“ Hier und da werde von einer demokratischen Partei in Berlin beispielsweise etwas in der Verkehrspolitik gefordert, wobei die Auswirkungen auf Brandenburger Gebiet gar nicht bedacht worden sind. „Ich muss dabei ehrlicherweise eingestehen, ich kann da meine eigene Partei auch nicht immer davon ausnehmen.“ Das Thema Zukunft des Verkehrs bleibt garantiert spannend.

Gerade in der Bundeshauptstadt Berlin. So mancher Zeitgenosse muss noch einsehen, es geht nicht ohne Autoverkehr, auch in der sogenannten City nicht. Dazu nur ein Beispiel: Natürlich kann man Pflegekräften, die Senioren in deren Wohnung tagtäglich betreuen, raten, statt des Autos das Fahrrad zu nehmen. Ob die Pflegekräfte bei Wind und Wetter gerne per Rad ihren Dienst versehen werden, ist fraglich. Eventuell suchen sich die jetzt schon so rar gesäten Pflegekräfte dann Jobs in stationären Einrichtungen und vermeiden somit die Radtouren.

Foto: VTN/Abgeordnetenwatch; FDP Brandenburg
Text: VTN