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Welch großes Glück, zu leben in Cöpenick

Im Jahre 1906 machte ein Husarenstreich den Berliner Ortsteil Köpenick, damals noch mit C geschrieben, in der ganzen Welt bekannt. Zeitungen aus New York, Moskau, Perth, London, Madrid, Mailand und Paris berichteten über die spektakuläre Geschichte aus Preußen…

Der vorbestrafte Schuhmacher Friedrich Wilhelm Voigt kaufte sich beim Trödler eine gebrauchte Hauptmannsuniform und marschierte mit einer Garde, die er zufällig traf, nach Cöpenick, ließ dort im Rathaus den Bürgermeister verhaften und überstellte ihn ins Gewahrsam nach Berlin-Mitte. So nebenbei  eignete sich der Ganove auch die Stadtkasse an. Pech für ihn: Der von ihm so sehnlichst erwünschte Pass konnte nicht in Cöpenick ausgestellt werden. Denn das Passamt von Cöpenick befand sich in Teltow. Alles Weitere ist bekannt: Voigt kam zwar ins Zuchthaus, hatte aber als „Hauptmann von Cöpenick“ fortan einen Prominentenstatus inne. Mild lächelnd verzieh ihm sogar der oberste Preuße: Kaiser Wilhelm II. meinte: „Das ist Preußen! Die Uniform strahlt Respekt aus. Egal, wer die Uniform angezogen hat. Das macht uns keiner nach.“

Carl Zuckmayer (Jahrgang 1896) hat dem Schuhmacher Voigt mit seinem Werk „Der Hauptmann von Köpenick“ ein literarisches Denkmal gesetzt. Am 5. März 1931 öffnete sich im Berliner Deutschen Theater der Vorhang für die Uraufführung des Theaterstückes. Das Husarenstück vom Oktober 1906 feierte man ausgiebig zum 111. Jahrestag im Oktober, natürlich im Festsaal des ehrwürdigen Rathauses Köpenick.

Der Hauptmann von Cöpenick gilt als Zuckmayers bedeutendstes Werk. Dabei hat der Autor zahlreiche weitere Stücke geschrieben. Die Schauspieler Jürgen Hilbrecht (allseits bekannt in seiner Paraderolle als „Hauptmann von Köpenick), Ilona Knobbe, Rainer Gohde, Olaf Schülke, Max Löser-Hügel und Kornelia Mitrea führten zum Jahrestag das Lustspiel „Der fröhliche Weinberg“ aus dem Jahre 1925 auf. Man wollte mit der  Aufführung an das Gesamtwerk Carl Zuckmayers erinnern, zu dem so bekannte Stücke wie das Drama „Kreuzweg“, das Schauspiel „Schinderhannes“, „Katharina Knie“ und „Der Schelm von Bergen“ gehörten. Man wollte aber auch auf Zuckmayers Wirken als Drehbuchautor aufmerksam machen. Für Filme wie „Der blaue Engel“ schrieb er das Drehbuch.

Anfangs lief es gar nicht gut für den aus dem 1. Weltkrieg heimgekehrten Leutnant der Reserve. Seine ersten Werke erschienen zwar noch kurz vor Ende des 1. Weltkrieges, aber das Interesse von Verlagen und Lesern nach diesen Stücken spielte sich in einem sehr bescheidenen Ausmaß ab. Bis 1922 trat Zuckmayer in Winzerlokalen als Sänger und Musiker auf und lebte mehr schlecht als recht. Sein Drama „Kreuzweg“ wurde nach nur drei Vorstellungen 1920 wegen ausbleibendem Erfolg wieder vom Spielplan genommen. Fünf Jahre später gelang ihm mit „Der fröhliche Weinberg“ der ganz große Durchbruch. Die Aufführung geriet zwar zu einem Skandal, weil ein Corpsstudent parodiert wurde im Stück. Aber gerade wegen des Skandals wohl wollten die Massen das Werk auf der Bühne unbedingt sehen.

Wie schnell Erfolg vergehen kann wenn der politische Wind sich dreht, machten die Künstler auf der Köpenicker Bühne auch deutlich. Mit Tantiemen überhäuft für den „Hauptmann von Köpenick“, geriet Zuckmayer 1933 in Konflikt mit den Nazis. Ihnen missfiel die Verächtlichmachung des Militärs beim „Hauptmann von Köpenick.“ Zuckmayer zog daraufhin von Deutschland ins benachbarte Österreich. Nach dem Anschluss 1938 floh Zuckmayer im letzten Moment nach Paris und von dort in die USA. Die NS-Schergen trafen an seinem österreichischen Haus nur wenige Minuten vor seinem Verschwinden ein. Die Erlebnisse der abenteuerlichen Flucht verewigte er in seinem Werk „Als wär` s ein Stück von mir.“ Im Januar 1946 bekam der Autor den US-Pass. Der von den Faschisten ausgegrenzte und verfolgte Schriftsteller erfuhr nach dem Zweiten Weltkrieg zahlreiche Ehrungen in Deutschland und Österreich. Dazu zählen: der Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main 1952, 1953 die Ehrenmedaille der Universitätsstadt Göttingen, 1955 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern, 1957 die Ehrendoktorwürde der Universität Bonn, 1960 der Große Österreichischer Staatspreis für Literatur, 1962 Ehrenbürger von Mainz, 1971 Ehrenring der Stadt Wien, 1972 Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf.

Am 18. Januar 1977 verstarb Carl Zuckmayer. Seit 1979 verleiht das Bundesland Rheinland-Pfalz immer am 18. Januar die Carl-Zuckmayer-Medaille für herausragende literarische Leistungen. Die Deutsche Post gab 1996 aus Anlass des 100. Geburtstages des Künstlers eine Briefmarke im Wert zu 100 Pfennigen heraus. Die Marke ziert den Autor mit der von ihm so geliebten Pfeife im Mund. Ohne ihn wäre „heute Köpenick ein Berliner Dorf wie Schmargendorf oder Reinickendorf“ teilten die Künstler auf der Bühne mit. So lautete denn der Refrain ihres Liedes auch: „Welch großes Glück, zu leben in Cöpenick.“

So sieht es auch Cornelia Flader (CDU). Sie ist Bezirksstadträtin für Weiterbildung, Schule, Kultur und Sport. Zusammen mit Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) wohnte sie der umjubelten Aufführung bei und erklärte: „Wir im Bezirk haben dem Autor Carl Zuckmayer sehr viel zu verdanken. Gerade im Bereich des Tourismus liegt es auch an seinem „Hauptmann von Köpenick“, dass wir von Besuchern aus aller Welt wahrgenommen werden.“

Unter den Gästen im Publikum traf man auch den Schauspieler Hannes Ducke an. Man kennt ihn beispielsweise aus der „Lindenstraße“, „K11-Kommissare im Einsatz“ und „Anna und die Liebe.“ Er teilte mit: „Den Gedanken der hier auftretenden Kolleginnen und Kollegen, einmal an einen berühmten Autor zu erinnern und nicht nur ein Werk von ihm aufzuführen, finde ich sehr gelungen. Wir Schauspieler, die Regisseure und Intendanten sind auf gute Autoren angewiesen. Das wird nicht immer so betont, wie es eigentlich sein sollte.“

 

Text/Foto: VTN